Hoellischer Verrat
Kapitel 1
Dinner für Heirats(un-)willige
B odenlange Seidenkleider sollten per Gesetz verboten werden.
Nicht nur, dass sie schrecklich unbequem waren, man musste auch ständig darauf achten, dass ihr empfindlicher Stoff keine Flecken bekam oder gar riss. Außerdem stellten sie eine echte Gefahr für Leib und Leben dar, sollte man versuchen, in ihnen zu rennen.
Die Bilanz der Strecke von meiner Wohnungstür bis zum Aufzug am Ende des Ganges sah wie folgt aus: Zwei Mal vorn auf den Saum getreten – der Stoff hatte warnend geächzt und die Träger unangenehm in meine Schultern geschnitten; ein Mal mit dem Absatz meiner Pumps hinten den Saum erwischt – der Stoff hatte ein seltsames Geräusch von sich gegeben und ich hatte mich nicht getraut nachzusehen, wie groß der Schaden war. Wehmütig dachte ich an die Lederhosen und die schweren Boots, die ich sonst zu tragen pflegte. Kleider passten einfach nicht zu mir. In diesem Aufzug verwandelte ich mich in ein Püppchen, das kaum gerade laufen konnte.
Ich raffte den Stoff höchst undamenhaft bis weit über die Knöchel hoch und stürmte weiter. Na gut, wäre ich nicht so spät dran, hätte ich auch langsamer laufen können, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass ich lange Seidenkleider für gemeingefährlich hielt. Ich sprach da aus Erfahrung. Seit ich im heiratsfähigen Alter war, hatten meine Eltern es sich zu ihrer persönlichen Aufgabe gemacht, mich adäquat zu verkuppeln. »Adäquat« bedeutete so viel wie: Es sollte bitte ein Blutdämon sein. Alle anderen sechs Dämonenrassen, egal, ob Feuerdämon, Flugdämon, Gestaltwandler, Echsengesicht, Diploid oder Variati , schienen ihnen nicht recht zu sein.
Weiterhin sollte es sich um jemanden handeln, der mit Vater auf irgendeine Art und Weise geschäftlich oder politisch verbunden war. Was in den allermeisten Fällen damit endete, dass man mir ein schleimiges, ehrgeiziges Männlein vorsetzte, das vermutlich auch die nächstbeste Topfpflanze geehelicht hätte, nur um unter Vaters Fittichen Karriere zu machen. Als Vorsitzender der Ratsversammlung und Oberhaupt der Blutdämonen hielt er den einflussreichsten Posten auf diesem Planeten inne. So war es immer gewesen, schon seit wir als Delegation unsere Heimatdimension verlassen hatten, um neue Welten für uns zu erobern.
Wir Dämonen waren unsterblich und je weiter wir uns fortpflanzten, desto mehr Lebensraum benötigten wir. Als kriegerisches Volk beschlossen wir, Planeten, die für uns einen passenden Lebensraum boten, zu unterwerfen. Die Erde und ihre Bewohner boten von Anfang an wenig Widerstand. Die Menschen hatten sich bereits selbst durch den Raubbau an ihrem Planeten fast zugrunde gerichtet. Sie hatten ihn ausgebeutet, vergiftet und seine Ressourcen geplündert, bis sich die Natur gegen sie wandte. Vulkanausbrüche zerstörten die Städte, Unwetter verwüsteten ganze Kontinente und der Regen verwandelte sich in ätzende Säure. Die Infrastruktur brach zusammen und das Leben in den zerstörten Städten glich einem endlosen Kampf um Rohstoffe, Medikamente und sichere Unterkünfte.
Schließlich wichen die Menschen auf ländliche Gegenden aus, da die zerfallenden Städte kaum Möglichkeiten der Selbstversorgung boten. Doch auch diese Lösung änderte nicht viel. Seuchen löschten ganze Landstriche aus und wer verschont blieb, der kämpfte gegen die permanenten Unwetter und eine schwächende Mangelernährung. Mein Vater sollte einen Planeten erobern, dessen Bewohner größtenteils bereits verhungert waren und der Rest der Bevölkerung würde mit großer Wahrscheinlichkeit das nächste Jahr nicht überleben.
Es hätte so einfach sein können. So einfach, wie auf all den anderen Planeten zuvor, die Vater mit seinem brutalen Regiment für das dämonische Volk eingenommen hatte. So einfach, dass es nur der Arbeit weniger Monate bedurfte. Doch dieses Mal sollte alles anders werden.
Als ich zum ersten Mal einen Engel sah, waren wir eben in die verlassene Villa eines menschlichen Politikers gezogen, die Vater bereits hatte instand setzen lassen. Zu diesem Zeitpunkt trug ich Zöpfe und spielte noch mit Puppen. Mutter stöberte gerade durch die Habseligkeiten, die die ehemalige Dame des Hauses in einem ihrer Zimmer zurückgelassen hatte, als plötzlich eine Gestalt mit riesigen staubgrauen Flügeln auf dem Balkon landete. Ich erinnere mich noch, dass ich kreischte und mich an die Beine meiner Mutter klammerte. Ihr atemloses Keuchen hallte wie ein
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