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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Problem mehr. Aber er hat auch nix vorzuweisen, nur so ’n Nüdelchen in der Hose, wie ein Stückchen von einer Makkaroni, aber einer weichgekochten. Ich glaube, wenn er das Ding rausholt, muss man zweimal hinsehen, ehe man sieht, dass er überhaupt einen hat. Ihn hatte wohl früher mal eine ausgelacht deswegen. Deshalb steckte er sich immer ein fest zusammengerolltes Tuch in eine Hosentasche, wenn er in die Disco kam. Das fühlte sich so an, als hätte er einen mächtigen Ständer. Damit baggerte er junge Dinger an, immer nur so junge, denen er weismachen konnte, dass er keiner ist, der sie gleich flachlegen will.»

    Um Viertel nach zehn hörte Patrizia ihn in der Diele mit dem Dicken reden. Der ging anschließend ins Wohnzimmer, während Heiko das Haus verließ. Und kaum war die Haustür ins Schloss gezogen worden, da hörte sie bereits den Fernsehton. So konnte sie nicht mit Sicherheit sagen, ob Heiko die Haustür hinter sich abschloss, aber sie nahm es an.
    Sie wartete noch ein paar Minuten und wurde fast verrückt in der Zeit bei der Vorstellung, dass der Dicke die Pistole irgendwo im Wohnzimmer versteckt haben könnte. Vielleicht hatte er sie einfach unter die Couch geschoben. Kaum anzunehmen, dass Heiko mit dem Gesicht am Boden dort nachschaute, solange er nicht mal einen Verdacht hatte. Aber der Dicke hätte die Waffe griffbereit.
    Schnelligkeit, darauf kam es jetzt an. Dem Dicken durfte keine Zeit bleiben, die Pistole unter der Couch hervorzuangeln. Mit dem Gedanken schlich sie die Treppe zur Diele hinauf, das Feuerzeug fest umklammert. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen. Wahrscheinlich saß oder lag der Dicke wieder auf der Couch. Sehen konnte sie ihn nicht. Darauf legte sie auch keinen Wert, huschte um die halbhohe Mauer herum zur Küche hinüber.
    Die Tür war zu, ließ sich aber geräuschlos öffnen und wieder schließen. Hier war es völlig dunkel. Ihre Hand tastete bereits nach dem Lichtschalter, da besann sie sich. Auch eine geschlossene Tür bot keine Gewähr. Unten war ein schmaler Spalt, durch den ein Streifen Licht in die Diele sickern konnte. Wenn der Dicke zufällig …
    Aber das Feuerzeug konnte sie benutzen. Das kleine Flämmchen tauchte den Raum in ein geisterhaftes Licht und machte aus der Unordnung ein Chaos. Benutztes Geschirr auf dem Tisch. Auf der Arbeitsplatte neben dem Herd standen leere Konservendosen mit hochgebogenen Deckeln, Hühnersuppe, Erbsensuppe, Wiener Würstchen. Der Suppentopf stand auch noch da. Und daneben lag auf einem Holzbrett ein Messer!
    Sie hatte es am vergangenen Abend schon gesehen. Vermutlich hatte Heiko oder der Fettwanst damit die Würstchen in Stücke geschnitten und war zu faul gewesen, es abzuwaschen und wieder wegzuräumen. Gut, das ersparte ihr eine Suche in Schubfächern, die kaum geräuschlos vonstattengegangen wäre.
    Es war ein Fleischermesser mit stabilem Griff und feststehender, etwa zwanzig Zentimeter langer Klinge. Sie fühlte sich nicht sehr wohl in ihrer Haut, als sie danach griff. Aber als sie es in der Hand hielt, schien es durchaus möglich, damit zuzustoßen, auch wenn sie sich dafür in die unmittelbare Nähe des Dicken begeben müsste.
    Dann stand sie wieder in der Diele, links lag die Treppe zum Obergeschoss, gegenüber das Wohnzimmer. Der Haustür schenkte sie keine Beachtung, um nicht in Versuchung zu geraten, nur die eigene Haut zu retten. Wenn sie dabei scheiterte, weil die Tür verschlossen war, käme sie nie im Leben die Treppe hinauf.
    Aber es war entschieden leichter, sich einen
einfachen
Plan zurechtzulegen, als ihn dann auch auszuführen. Sie konnte sich nicht überwinden, schnurstracks ins Wohnzimmer zu schleichen und den Fettwanst zu überrumpeln. Wenn er sie kommen hörte, wäre der Überraschungseffekt dahin, wenn sie die Hand mit dem Messer auf dem Rücken versteckte, würde ihn das wahrscheinlich misstrauisch machen, und wenn er aufstand …
    Schon seltsam, was ihr alles durch den Kopf ging, nun, wo sich die erste richtige Gelegenheit bot, Albert und Alwine Retling zu helfen. Ed hätte es bestimmt erklären können. Aber das konnte sie auch. Feigheit. Zusammengesetzt aus der Scheu, einen Menschen ernsthaft, lebensbedrohlich, sogar tödlich zu verletzen, und der Angst, ihrerseits ernsthaft, lebensbedrohlich oder tödlich verletzt zu werden.
    Am liebsten wäre ihr gewesen, Albert und Alwine Retling unbemerkt ins Freie zu lotsen. Doch das war völlig ausgeschlossen. Kaum anzunehmen, dass ein alter Mann, der ohne seine

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