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Hoerig

Hoerig

Titel: Hoerig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly Arcan
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größer als die Hand Gottes, die schlagen konnte, ohne mir weh zu tun, gleiche die Bar einem Sternenhimmel. Diese Bemerkung hätte ein echtes Kompliment sein können, eines von der Art, die Kindern die Größe der Liebe erklären, wenn du nicht gleich darauf deine Abneigung gegen den Kleinen und den Großen Bären und gegen Campingreisen, wo jeder seine Salonphilosophie über den Kosmos loslassen muß, kundgetan hättest, das komme von den astronomi-schen Neigungen deines Vaters, hast du gesagt.
    Dein Vater suchte am Himmel nach Novae, Sternen, die in einer Symphonie aus Farben ihre Gase verströmten, oder noch besser Supernovae, die unter dem Druck der Atome so gewaltig explodierten, daß er sie mit blo-
    ßem Auge sehen konnte – dein Vater liebte an den Sternen ihren spektakulären Tod. Ich habe dich oft darauf aufmerksam gemacht, daß die von deinem Vater so geliebten Sterne denselben Namen trugen wie der After Hour Club, in dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind, was dich bekümmert hat, weil du der festen Überzeugung warst, die wichtigen Ereignisse deines Leben ließen sich nicht einmal metaphorisch mit einer Dimension des Raums verknüpfen oder in Lichtjahren messen.
    Das Universum, sagtest du immer, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab, auch wenn sie sich nicht ergab übrigens, das Universum verliere sich in seinen ungeheuren Dimensionen, so daß man sich über seine Geographie gar nicht den Kopfzerbrechen müsse. Um deinen Vater von seinem Holzweg abzubringen, hättest du beschlossen, dich nicht um das Fernste zu kümmern, sondern dich dem Nächsten zuzuwenden. Ich habe mich oft gefragt, ob die Mädchen aus dem Web, vor denen du so gern wichst, dem Nächsten oder dem Fernsten zugehören.

    Als wir uns endgültig trennten und ich begriffen habe, daß ich von eigener Hand sterben würde, statt von deiner übermächtigen Kraft zermalmt zu werden, haben wir uns darauf geeinigt, daß das Bily Kun von Rechts wegen dir zustand, weil du lange vor mir dort verkehrt hast, und mir das Laïka, das du ohnehin nicht leiden konntest. An diesem Abend haben wir die Bars von Montreal aufge-teilt, um einander nicht mehr zu begegnen, dabei hatte Freddy erst vor ein paar Tagen behauptet, wenn Paare, die sich trennen, bestimmte Areale der Stadt für den anderen zum Sperrgebiet erklärten, sei das auch eine Art Verabredung.
    Jetzt kann ich nicht mehr ins Bily Kun und zu den After Hours von Orion, einer Gruppe von DJs, von denen du dich fernhieltst, obwohl du ihre Partys mochtest, vielleicht weil mehrere Ex-Freunde Nadines darunter waren, aber vor allem, weil sie Begriffe benutzten, die du von deinem Vater kanntest, er erzählte beim Mittagessen von den nach ihrer Form benannten kosmischen Phäno-menen, Sternennebeln mit Namen wie Helix, Adler, Ei, Stundenglas oder Katzenauge, von stellaren Winden, die Sterne aus ihrer Bahn werfen können, oder von blauen Sternen, die heißer sind als rote oder gelbe.
    Die Gruppe Orion organisierte jedes Jahr vier große After Hours in einem riesigen Loft in der Rue Saint-Dominique, jeweils zu Beginn einer Jahreszeit: den Blauen Riesen am ersten Frühlingstag, das Nova am ersten Sommertag, das Schwarze Loch am ersten Herbst-tag und Big Bang am ersten Wintertag. Dann gab es noch Pulsar zu Silvester, wo das ganze Partyvolk vom Speed so außer Rand und Band war, daß meist die Polizei kam, die befürchtete, der Fußboden könnte durchbrechen und den Mietern darunter auf den Kopf fallen. Seit den An-fängen von Orion hatten wir beide keine Party verpaßt, es waren die schönsten der ganzen Montrealer Technoszene; komisch, daß wir in diesen drei Jahren mindestens zehnmal auf denselben Partys waren, ohne einander zu begegnen, drei Jahre lang hat der dunkle Loft dir meine Pup-pengestalt verborgen, und durch den dröhnenden Techno drang deine Stimme nicht an mein Ohr. Dieses Jahr war ich am ersten Frühlingstag nicht beim Blauen Riesen, und das Nova am ersten Sommertag, der zusammen mit meiner persönlichen Deadline in Riesenschritten näher rückt, werde ich auch versäumen. Ich gehe nicht auf eine Party, um dich mit einer anderen zu sehen, um meinen Schmerz zur Schau zu tragen, ich will dich nicht den ganzen Abend lang im Auge behalten, nur um festzustel-len, daß du mich nicht ansiehst. Es ist bekannt, daß jede Trennung die Orte verseucht, an denen das Paar gemeinsam war, manchmal auch jene, wo man womöglich von der Konkurrenz verachtet werden könnte. Konkurrenz hatte ich ebensoviel wie Nadine,

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