Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 4
ließen nach Kates Meinung die geplante Gefangenenbefreiung noch aussichtsloser erscheinen. Aber bevor sie sich in solche düsteren Zukunftsaussichten versenken konnte, redete Serpent schon weiter.
„Was glaubst du wohl, warum ich deine beiden Begleiter nicht habe über den Haufen schießen lassen? Aus Menschenfreundlichkeit? Da schätzt du aber Serpent falsch ein. Nein, ich lasse sie von meinen Leuten beobachten. Ich muss wissen, in welchem Hotel sie abgestiegen sind. Ich brauche diese zwei Typen noch, denn irgendjemand muss ja meine Lösegeldforderung entgegennehmen. Logisch, oder?“
Kate konnte Serpent nicht widersprechen. Dieser Kerl mochte ein Prahlhans sein, der vor ihr Messerkunststücke vorführte wie ein Halbstarker aus dem Londoner East End. Aber er war gleichzeitig auch ein eiskalt berechnender Verbrecherchef. Nicht umsonst war er zum Anführer seiner Bande geworden, und das in seinen jungen Jahren. Kate schätzte, dass Serpent nicht älter sein konnte als Mitte zwanzig. Sie durfte seinen wachen Verstand auf keinen Fall unterschätzen. Sein Gehirn war offenbar noch gefährlicher als seine Messerhand. Und die war schon ziemlich flink.
Was würde geschehen, wenn Serpents Leute eine Lösegeldforderung an Benson und Fletcher überbrachten? Der Kriminalassistent hatte eine größere Summe Francs bei sich, denn sie brauchten ja Geld für den Kauf des Dampfkutters und der Teile für die Apparaturen des Erfinders. Und genau aus diesem Grund durften sie ihr Geld nicht einem gewissenlosen Apachen in den Rachen werfen!
Es gab nur einen Ausweg aus diesem Dilemma. Kate musste sich aus dem Keller befreien, und zwar aus eigener Kraft. Doch das war leichter gesagt als getan. Obwohl sie immer noch ihren versteckten Schlagring besaß, schätzte sie ihre Chancen gegen Serpent nicht besonders gut ein. Außerdem war die Distanz für einen Überraschungsangriff viel zu groß. Wenn Kate jetzt von ihrem Strohsack aufsprang und den Verbrecher attackierte, konnte er bequem sein Messer ziehen und ihr ein Muster ins Gesicht schneiden, das sie für immer entstellen würde.
Momentan war sie einfach nur sprachlos, was bei einer lebhaften Frau wie ihr nicht oft vorkam.
„Ich lasse dir gleich Essen und Trinken bringen. Niemand soll sagen, dass Serpent seine Gäste schlecht behandelt.“
Mit diesen Worten und einem höhnischen Lachen sowie einer tänzerischen Pirouette verließ der Apache den Keller. Kate hörte, wie von außen der Riegel wieder vorgeschoben wurde. Sie wünschte Serpent innerlich die Pest an den Hals, aber mehr konnte sie in diesem Moment nicht tun.
Ihre Chance würde in dem Moment kommen, wenn sie ihre Mahlzeit erhielt. Es musste ihr einfach gelingen, ihren Widersacher zu überwältigen und aus dem Kerker zu fliehen. Kaum war ihr dieser Gedanke gekommen, als es auch schon draußen auf dem Gang rumorte. Stimmen ertönten. Kate stemmte sich von dem Strohsack hoch, wobei ihre Kopfschmerzen schon etwas weniger Probleme machten. Die Tür öffnete sich erneut.
Doch was sie dann erblickte, war entmutigend. Serpent hatte zwei von seinen Leuten geschickt, die von der Figur her an englische Preisboxer auf dem Jahrmarkt erinnerten. Ansonsten sahen die Kerle mit ihren Casquette-Mützen, gestreiften Hemden und engen Hosen wie echte Apachen aus. Kate machte sich nichts vor. Selbst wenn sie einen dieser Typen niederschlagen konnte, würde der andere sie danach genüsslich durch den Fleischwolf drehen. Die Männer hatten so breite Schultern, dass sie sich schräg durch die schmale Kellertür quetschen mussten. Und sie standen gebückt, weil der niedrige Kellerraum nicht für solche Riesen gebaut worden war.
Kates Angriffslust verschwand so schnell wie sie gekommen war. Entmutigt schaute sie zu, wie einer der Kerle eine Flasche Wein, ein seltsam aussehendes langes schmales Brot sowie ein Stück Käse auf dem Schemel neben der Petroleumlampe platzierte. Die Apachen warfen Kate lüsterne Blicke zu und machten irgendwelche Bemerkungen, wahrscheinlich Anzüglichkeiten. Doch da sie Französisch miteinander sprachen, verstand die Engländerin kein Wort. Immerhin machten die beiden Fleischberge sich wieder aus dem Staub, ohne Kate betatscht zu haben. Das war aber auch das einzig Positive, was Kate ihrer Situation abgewinnen konnte.
Allerdings würde sich ihr Zustand auch nicht bessern, wenn sie in den Hungerstreik träte. Also kniete Kate sich hin und nahm zunächst einen guten Schluck aus der Flasche, die bereits entkorkt war. Sie
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