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Hohe Wasser

Hohe Wasser

Titel: Hohe Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugenie Kain
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Der Vermittler
    Durch den Sucher hatte ich die Leute von der Genossenschaft beobachtet. Es waren Frauen darunter. Der Unterschied war kaum zu erkennen. Die Leute von der Genossenschaft trugen Overalls, Stiefel, Hüte und Mäntel. Alles aus Gummi. Alles schwarz und oliv, nur die Handschuhe waren rot. Himbeerrot. Auf die Hände stellte ich scharf. Ich hörte Kommandos, hellere Stimmen und tiefe, in dieser Sprache klang alles heiter und zuversichtlich. Die Hände kamen aufeinander zu, bis sie einen Kreis bildeten. Die Hände stemmten ein Seil, und an dem Seil hing das Netz. Im Kreis der roten Hände glitzerte und glänzte es. Silbern, braun, weiß. Flossen und Fischbäuche. Der Teich kochte. Die Leute von der Genossenschaft standen bis zu den Knien im Wasser und bändigten das Netz. Ich stellte scharf und drückte ab und stellte scharf. Ich war auf der Suche nach Frauengesichtern. Da eine blonde Haarsträhne unter der nassen Krempe, dort eine rote Krause, aber nichts Eindeutiges. Ein schönes Arbeiten. Rhythmisch und zielgerichtet. Zu dieser Arbeit müsste man eine Unsrige zuweisen. Die Arbeitszeit zumutbar. Die Art der Tätigkeit auch. Abwechslungsreich, in guter Luft. Es gibt Sozialleistungen. Weihnachtskarpfen. Aber eine Unsrige würde sich nicht ins Wasser stellen. Niemals. Eine Unsrige stellt sich nirgends hin. Weil das nicht passt und das auch nicht. Eine Unsrige muss geschoben werden und hingestellt. Sonst kommt sie nicht zu ihrem Glück. Obwohl ich die Stimmen hörte, fand ich keine Frauengesichter über den roten Händen. Sanfte, raue Stimmen, noch mit der warmen Ruhe des Schlafes im Ton, aber bereits hellwach und auf der Hut. Der Morgennebel hob sich und gab das gegenüberliegende Ufer frei. Ein paar Tage noch und im Wasser des Teiches würden sich die abfärbigen Schatten der knotigen Bäume spiegeln, ich würde scharf stellen auf den Damm mit den Eichen und auf eine Radfahrerin warten oder eine Mutter mit Kinderwagen. Aber noch loderte das Laub in allen Flammenfarben und wehrte den Blick ab auf das Hinterland. Es gab nur den Teich mit dem leuchtenden Saum und den Himmel darüber, der sich anschickte, hoch und strahlend zu werden.
    Die Stimmen irritierten mich. Sie wurden lauter, unruhiger, schärfer. Neben mir warteten Lastwägen mit Bottichen auf den Ladeflächen, ein quietschender Kranarm hob das Netz aus dem Wasser und schwenkte zum Land, Laufbänder sprangen an. Mit Rudern und Stöcken schlugen die Fischer auf das Wasser, sie durchpflügten den Teich, bis sie an der tiefsten Stelle wieder zusammenkamen, um es im roten Kreis brodeln zu lassen. Andere blieben am Rand und hoben die Fische mit kleineren Netzen aus Tümpeln, die das ablaufende Wasser auf dem schlammigen Teichboden zurückgelassen hatte.
     
    Ich bin kein Fischer, und beim Fotografieren interessieren mich die Fische am allerwenigsten. Mich interessieren Gesichter, unverdorbene, zufriedene Gesichter. Menschen bei der Arbeit. Aber diese Hüte verbargen alles. Bei der Sortieranlage am Ufer waren die Frauen deutlicher zu erkennen. Sie klassifizierten die Karpfen nach ihrer Größe und warfen die kleinen zurück ins Wasser. Ich hielt mich abseits. Sie sollten nicht auf die Idee kommen, mich heranzuwinken und sich mit dem einen oder anderen Prachtexemplar fotografieren zu lassen. Zu schnell ist man im Zentrum eines Geschehens, das man nicht will. Ich war einmal der hundertste Zuschauer beim Abfischen und gewann deshalb zwei Karpfen. Zwei lebendige Karpfen. Eine lachende Frau hatte die Fische in nasse Tücher eingewickelt und mir überreicht, und der Meinigen eine Broschüre mit Rezepten. Rosenberger Karpfen, Karpfen nach Treboner Art, Karpfen aus Jindřichův Hradec, Karpfen in schwarzer Sauce. Kapr, Kapr, Kapr, damals waren das nur fremde Schriftzeichen für mich. Die Meinige war an deren Rezepten gegenüber ohnehin nicht aufgeschlossen. Bei ihr gab es nur die Serbische Art. Schmallippig war sie geworden, während wir mit den tobenden Fischen im Arm beklatscht und fotografiert wurden. Wie stellst du dir das vor? Im Kofferraum hatte ich die Tiere über die Grenze gebracht. Daheim schwammen sie eine Zeit lang in der Badewanne. Scheu schlichen die Kinder ins Badezimmer und stupsten die Fische, die ruhig im Wasser standen und im nächsten Moment gegen die Emailwand rasten. An den Badetagen hob ich sie in die Abwasch. Mach was, sagte die Meinige. Ich fragte Kostič, was er machen würde mit einem lebenden Karpfen. Kostič ist gelernter Fleischhauer.

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