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Hohe Wasser

Hohe Wasser

Titel: Hohe Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugenie Kain
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Essiggurke in das Filet gewickelt oder Bismarckheringe zerstückelt, mit sauren Zwiebeln in ein Glas gestopft und Marinade dazu. Gewickelt nach traditioneller Art steht auf dem Etikett der Rollmopsgläser, in Handarbeit gewickelt auf dem Etikett der Teufelsroller. Wir arbeiten in einer zugigen Halle, die wegen der Fische und Garnelen nicht beheizt wird. Die meisten von uns sehen im Winter bei der Arbeit verwegen aus. Lange Hosen unter dem Kleid, dicke Westen über dem Arbeitsmantel, Kopftücher, Hauben, Pulswärmer, rote Nasen. Und immer der Fischgeruch in der Nase, in den Haaren, auf der Haut.
    Vor fünf Monaten begannen die Schmerzen in der Wanne mit dem Eiswasser. Ein unsichtbares Messer schabte mein Handgelenk blank. Spitz und scharf verbiss sich der Schmerz im Arm. Sehnenscheidenentzündung, sagte der Hausarzt. Daraufhin schmierte ich Salben, trug bei der Arbeit einen Verband unter den Handschuhen und schluckte Schmerztabletten. Daheim legte mir der Schneckenkönig Packungen auf. Der Schneckenkönig kennt sich aus mit Kräutern. Das ist keine Sehnenscheidenentzündung, sagte er nach zwei Wochen. Kranksein gibt es nicht in der Firma, das wusste ich, da sind sie schnell, es gibt auch keine kranken Kinder, das muss geregelt sein, der Jasager nimmt lieber Ältere und Kinderlose, nur bei den Saisonarbeiterinnen ist er nicht wählerisch, die sind schnell ausgetauscht.
    Meine Mutter hat in einem Lager gearbeitet. Sie trug einen braunen Arbeitsmantel, schleppte Pakete von einem Regal zum anderen, trug sie hinaus zu den Lastwägen und schleppte andere herein. Sie behielt die Übersicht. Mein Reich, sagte sie, und sie war stolz, dass sie die einzige Frau im Lager war. Bis sie es mit den Bandscheiben zu tun bekam. Mit Korsett und Nierenwärmer schleppte sie sich in die Arbeit. Eine Therapie war notwendig, vor der Arbeit setzte sie sich in Schlammbäder, nach der Arbeit lief sie zur Massage, weil das alles nichts nützte, blieb sie doch ein paar Tage daheim. Die Ärztin riet zu einer Kur. Sie lehnte ab. Du ruinierst dir deine Bandscheiben für die Firma, sagte ich, sei nicht so blöd. Beim nächsten Krankenstand kam der Brief. Kein Abschied. Kein Dank. Und jetzt ich. Das Mondbein kaputt. Und schon ist der Brief da. Körperliche Arbeit macht mir nichts aus, da bleibt der Kopf frei, dachte ich, wenigstens der Kopf. So habe ich mein Leben lang geschleppt, gestemmt, geschoben, gehoben, getragen, getippt, geschraubt, gewickelt. Natürlich ist der Kopf nicht frei geblieben. Nach der Frühschicht zu müde für die Freiheit am Nachmittag, nach der Abendschicht zu erschöpft für die Freiheit am Tag. Zu müde und erschöpft für das Leben. Zu müde, um ein Buch zu lesen oder ins Kino zu gehen. Zu müde, um Leute zu treffen, zu müde, um über die Brücke nach Linz zu gehen. Nur zur Donau hinunter, diesen Weg habe ich nicht aufgegeben. Aber auch da bin ich zu erschöpft, um nach den alten Träumen zu greifen. Dicht umschwirren sie mich, nimm uns, sagen sie, das ist doch nicht dein Leben. Ich verscheuche sie. Soll ich Bilder malen? Soll ich Gitarre spielen?
    Bleib daheim, sagte der Schneckenkönig, du ruinierst dir die Hand. In der Firma gibt es keinen Krankenstand. Also doch jeden Tag mit den Schmerzen in der Hand in die Arbeit, jeden Tag mit den Händen ins Eiswasser, die Pulver nützen nichts. Das unsichtbare Messer schabt am Handgelenk, und die Sehnen scheuern über die Knochen. Warum sind sie nicht früher gekommen?, fragt der Arzt. Zu spät. Ohne Mondbein brauche ich die Gitarre gar nicht in die Hand zu nehmen und auch nicht den Pinsel.
    Der Schneckenkönig lässt sich von niemandem etwas sagen. Er treibt sich nicht selbst zu einer Arbeit, die er nicht machen will. Er arbeitet, wann es ihm passt. Er zahlt keine Steuern. Der Schneckenkönig hat als Jugendlicher eine Lagerhalle in Brand gesteckt, weil es ihm zu eng geworden ist. Deshalb haben sie ihn eingesperrt und ihm das Kreuz gebrochen. Nicht nur einmal. Ich weiß nicht, was sie sich erwarten vom Einsperren. Da gibt es eine Hierarchie, in der der Neue Freiwild ist für die anderen. Die Wärter schauen weg, jedenfalls sehen sie nichts, wenn sie den Neuen in eine Ecke drängen, ihn zwingen, sich niederzuknien und sich zu bücken. Der Schneckenkönig hat aus der Justizstrafanstalt den bösen Blick mitgebracht. Damit verdient er sich jetzt sein Geld. Er schaut. Als Türsteher. Wenn es kein Gedränge geben soll. Wenn einem nicht zu nahe getreten werden darf. Der Schneckenkönig ist

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