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Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Abgrund
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du darauf?« fragte Andrej, ohne den dunklen Schleier, der sich über seine Gedanken gelegt hatte, zerreißen zu können.
»Weil nur Edelleute ein so kostbares Pferd besitzen«, antwortete Frederic.
Andrej lächelte voller Schmerz. In gewissem Sinne war der Hengst ein Abschiedsgeschenk von Michail Nadasdy - der dritte oder vierte Nachkomme jenes prachtvollen Tieres, das sein Stiefvater aus einem fernen Land namens Arabien mitgebracht hatte.
»Nein«, antwortete er. »Ich bin kein Edelmann.«
»Dann seid Ihr reich?«
»Mein Schwert und dieses Roß sind alles, was ich besitze«, antwortete Andrej. »Möchtest du es reiten?«
Frederics Augen weiteten sich. »Dieses Pferd?«
»Warum denn nicht dieses Pferd?« Andrej hob Frederic in den Sattel, ohne seine Antwort auch nur abzuwarten. Der Junge strahlte.
Delãny griff den Hengst am Zügel. Während er das wertvolle Tier langsam den Weg in Richtung Borsã zurückführte, schweiften seine Gedanken ab. So hatte er sich all die Jahre über das Wiedersehen mit seinem Sohn Marius vorgestellt: Ihn auf sein Pferd zu setzen und gemeinsam mit ihm loszuziehen, um die nähere und weitere Entfernung zu erkunden, und ihm die Plätze zeigen, die ihm im letzten Drittel seiner Kindheit ans Herz gewachsen waren.
Ein paar Schritte weiter richtete er sich fragend an Frederic: »Und jetzt erzähle, was hier geschehen ist. Wer hat das getan? Die Türken? Eine Räuberbande? Oder ein Fürst, der Machtpolitik mit dem Abschlachten von Menschen verwechselt?«
»Nein, Herr«, antwortete Frederic. Seine Stimme war plötzlich ganz leise. Sie zitterte.
»Vergiß den Herrn«, sagte Andrej. »Mein Name ist Andrej.« Er nickte Frederic so freundlich zu, wie er das in diesem Moment fertigbrachte. »Immerhin sind wir Verwandte - wenn auch nur weit entfernte.«
Vielleicht nicht einmal so weit entfernt, wie der Junge annehmen mochte. Es war gut möglich, daß er der Nachzügler aus der Familie eines seiner Onkel war oder der Erstgeborene eines Cousins. Und doch verkniff sich Andrej die Frage, wie Frederics Vater geheißen hatte. Irgendwie war in Borsã ohnehin jeder mit jedem verwandt. Und wie es aussah, war dieser Junge sowieso der einzige aus der Familie, der noch am Leben geblieben war.
»Andrej, gut«, sagte Frederic wenig überzeugt. Sein Blick wanderte nach Süden, suchte die dunstigen Berggipfel am Horizont ab. Ein eigenartiger Ausdruck erschien in seinen Augen, an denen Andrej erst jetzt auffiel, daß ihre Farbe auf verblüffende Weise den klaren Fluten des Brasan ähnelte. Andrej fühlte sich schuldig, weil er diesem Jungen zumutete, all das Grauenhafte noch einmal zu durchleben.
»Sie kamen vor zwei Tagen«, sagte er. »Abends, mit dem letzten Licht des Tages. Es waren viele … bestimmt so viele Männer, wie Ziegen in unserer Herde sind.«
»Und wie viele Ziegen umfaßt eure Herde?« fragte Andrej, erntete aber nur ein verständnisloses Achselzucken als Antwort. Frederic konnte nicht zählen - nur wenige hier konnten das.
Es spielte auch keine Rolle. Es mußten schon viele gewesen sein, wenn es ihnen gelungen war, dieses Massaker anzurichten - auch wenn sich die Männer des Dorfes aus irgendeinem Grund kaum gewehrt hatten.
»Soldaten?« fragte er.
»Ja«, antwortete Frederic. »Männer mit Waffen. Kostbare Waffen, solche, wie Ihr … wie du eine trägst. Ein paar hatten Rüstungen. Aber es waren auch Mönche dabei. Und ein Papst.«
»Ein WAS ?«
»Ein … Kardinal?« schlug Frederic schüchtern vor.
Andrej lächelte und bedeutete ihm, weiter zu sprechen. Er wollte den Jungen nicht noch mehr in Verlegenheit bringen, als er es sowieso schon getan hatte. Klar war, daß ein höherer kirchlicher Würdenträger nach Borsã gekommen war und warum auch nicht? Die Dorfbewohner hatten stets ein gutes Verhältnis zur Kirche gepflegt. Zu Andrejs Zeiten war Borsã eines der wenigen Dörfer in der Umgebung, das einen eigenen Mönch hatte.
Der damals den ersten Stein nach ihm geworfen hatte.
»Am Anfang waren sie freundlich«, fuhr Frederic fort. »Sie baten um Unterkunft für eine Nacht und ein Gespräch mit dem Dorfältesten, und natürlich haben sie beides bekommen. Bis spät in die Nacht konnte man das Lachen und Singen vom Turm herab hören. Aber im Dorf gingen Gerüchte um, von Kriegern und Mönchen, die durch das Land zögen und auf der Suche nach einem Zauberer seien.«
»Einem Zauberer?« Delãny blieb stehen und sah Frederic zweifelnd an, aber der Junge schüttelte nur um so heftiger den Kopf.
»Ich sage

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