Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hohle Köpfe

Hohle Köpfe

Titel: Hohle Köpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
des Tanzes bewegten. Milliarden Tonnen Geographie zogen langsam durchs All.
    Die Leute halten nichts von Dingen wie Geographie und Meteorologie, und zwar nicht nur deshalb, weil sie auf dem einen stehen, während sie vom anderen durchnäßt werden. Solche Phänomene haben ihrer Meinung nach nur wenig mit wahrer Wissenschaft zu tun. 2  Aber Geographie ist nichts weiter als verlangsamte Physik mit ein paar Bäumen drauf, und die Meteorologie steckt voll von aufregend modischem Chaos und Komplexität. Der Sommer ist eigentlich keine Zeit, sondern mehr ein Ort. Der Sommer ist ein mobiles Geschöpf und liebt es, im Süden zu überwintern.
    Selbst auf der Scheibenwelt, die von einer kleinen Sonne umkreist wurde, gab es Jahreszeiten. In Ankh-Morpork, der größten ihrer Städte, wurde der Frühling vom Sommer beiseite geschoben, der seinerseits den Ellenbogen des Herbstes in der Seite spürte.
    Die einzelnen Jahreszeiten wirkten sich in der Stadt nicht groß aus, obwohl im Frühjahr der Schaum auf dem Fluß oft in einem hübschen Grün glänzte. Aus den Dunstschleiern des Frühlings wurden die Nebelschwaden des Herbstes, vermischten sich mit Rauchschwaden und Dämpfen aus dem magischen Viertel sowie den Werkstätten der Alchimisten – bis der Nebel ein dichtes, erstickendes Eigenleben zu bekommen schien.
    Und die Zeit verging.
     
    Herbstnebel preßte sich gegen mitternächtliche Fensterscheiben.
    Blut tropfte über die Seiten eines seltenen Buches mit religiösen Essays. Jemand hatte es in der Mitte durchgerissen.
    Das wäre nicht nötig gewesen, dachte Pater Tubelcek.
    Und dann dachte er, daß es auch nicht nötig gewesen wäre, ihn zu schlagen. Aber Pater Tubelcek hatte sich nie mit solchen Dingen belastet. Menschen heilten, im Gegensatz zu Büchern. Er streckte eine zitternde Hand aus, um die Blätter einzusammeln, sank dann wieder zurück.
    Alles drehte sich um ihn herum.
    Die Tür schwang auf. Schwere Schritte knarrten über den Boden. Besser gesagt, ein schwerer Schritt knarrte über den Boden, gefolgt von einem Schlurfen.
    Schritt. Schlurfen. Schritt. Schlurfen.
    Pater Tubelcek drehte mühsam den Kopf. »
Du
?« krächzte er.
    Ein Nicken.
    »Nimm… die… Bücher.«
    Der alte Priester sah, wie die Bücher aufgehoben wurden, von Fingern, die sich kaum für diese Aufgabe eigneten.
    Der Neuankömmling zog einen Federkiel aus dem Durcheinander und schrieb etwas auf einen Zettel, den er zusammenrollte und vorsichtig zwischen Pater Tubelceks Lippen schob.
    Der sterbende Priester versuchte zu lächeln.
    »So machen wir das nicht«, murmelte er, und der Papierzylinder zwischen seinen Lippen wackelte wie eine letzte Zigarette. »Wir… schaffen… unsere… eigenen…«
    Die kniende Gestalt beobachtete ihn eine Zeitlang, beugte sich dann behutsam vor und schloß ihm die Augen.
     
    Sir Samuel Mumm, Kommandeur der Stadtwache von Ankh-Morpork, blickte in den Spiegel, runzelte die Stirn und begann, sich zu rasieren.
    Das Rasiermesser war wie das Schwert der Freiheit, und das Rasieren ein Akt der Rebellion.
    Für Mumm hatte sich viel verändert. Man bereitete ihm jetzt das Bad vor (jeden Tag! – wie hielt die menschliche Haut das aus?). Man legte ihm die Kleidung zurecht (und was für Kleidung!). Man kochte für ihn (überaus leckere Mahlzeiten, mit dem Ergebnis, daß er zunahm). Man putzte ihm sogar die Stiefel (und was für Stiefel! – ihre Sohlen bestanden nicht etwa aus Pappe, sondern aus echtem, dickem Leder, so wie der Rest). Immer wollte man alles für ihn erledigen, doch es gab Dinge, um die sich ein Mann selbst kümmern mußte. Und dazu gehörte das Rasieren.
    Mumm wußte, daß Lady Sybil dieser Sache ablehnend gegenüberstand. Ihr Vater hatte sich nie selbst rasiert, hatte diese Aufgabe einem Diener überlassen. Mumm wandte ein, daß er viele Jahre lang in den nächtlichen Straßen von Ankh-Morpork unterwegs gewesen war und deshalb unruhig wurde bei der Vorstellung, daß ihm jemand eine Klinge an den Hals hielt. Aber der
wahre
Grund, der unausgesprochene Grund, war dieser: Er verabscheute eine Aufteilung der Welt in Leute, die sich selbst rasierten, und Leute, die sich rasieren ließen. In Leute, die glänzende Stiefel trugen, und Leute, die den Schmutz von ihnen abkratzen mußten. Wenn er sah, wie Willikins seine Sachen zusammenlegte, fühlte er sich versucht, ihm einen ordentlichen Tritt in den Hintern zu geben – weil sein Verhalten die Würde des Menschen in Frage stellte.
    Das Rasiermesser glitt ruhig über

Weitere Kostenlose Bücher