Hohle Köpfe
weiter.
Irgendein kluger Kopf – sicher ein klügerer Kopf als jener, der für die Programmierung des Kobolds verantwortlich war – hatte die Uhr im Gästesalon des Patriziers konstruiert. Sie machte »Tick-tack« wie jede andere Uhr. Aber entgegen der üblichen horologischen Praxis war die Abfolge des Ticks und des Tacks unregelmäßig. Tick-tack-tick… dann eine Verzögerung, die nur den Bruchteil einer Sekunde dauerte… Tack-tick-tack… und ein Tick, das etwas schneller kam als erwartet. Nach zehn Minuten verwandelten sich selbst die Denkprozesse eines abgehärteten Bewußtseins in eine Art Brei. Vermutlich hatte der Patrizier dem Uhrmacher viel Geld dafür bezahlt.
Inzwischen zeigte die Uhr Viertel nach elf an.
Mumm stand auf, schritt zur Tür, ignorierte die Tradition und klopfte an.
Kein Geräusch drang aus dem anderen Zimmer, nicht einmal das Flüstern ferner Stimmen.
Mumm griff nach der Klinke. Die Tür war nicht verschlossen.
Lord Vetinari hielt Pünktlichkeit für die Tugend von Prinzen.
Mumm trat ein.
Grinsi kratzte pflichtbewußt den krümeligen grauweißen Schmutz vom Boden und untersuchte anschließend die Leiche von Pater Tubelcek.
Anatomie gehörte zu den wichtigsten Fächern der Alchimistenschule, nach einer alten Theorie, die besagte, daß der menschliche Körper einen Mikrokosmos des Universums darstellte. Wenn man allerdings einen geöffneten Körper sah, konnte man sich kaum vorstellen, welcher Teil des Universums klein und purpurn war und
Plopp-plopp
machte, wenn man ihn anstieß. Junge Alchimisten lernten praktische Anatomie während ihrer täglichen Arbeit, mußten sie sogar manchmal von den Wänden kratzen. Wenn neuen Schülern ein Experiment in explosiver Kraft gelang, bestand das Ergebnis häufig darin, daß entweder ein neues Laboratorium gebaut werden mußte oder das Wer-findet-die-meisten-Eingeweide-Spiel veranstaltet wurde.
Der Tote hatte mehrere Schläge auf den Kopf erhalten. Mehr ließ sich kaum feststellen. Die Tatwaffe mußte ein sehr schwerer stumpfer Gegenstand gewesen sein. 9
Was erwartete Mumm sonst noch von Grinsi?
Erneut sah der Zwerg auf die Leiche hinab. Es gab keine weiteren Anzeichen von Gewaltanwendung. Obwohl… an den Fingern des Toten war ein wenig Blut. Doch an Blut herrschte hier gewiß kein Mangel.
Zwei Fingernägel waren gebrochen. Tubelcek hatte sich gewehrt oder zumindest versucht, sich mit den Händen zu schützen.
Grinsi sah sich die Finger aus der Nähe an. Etwas steckte unter den Nägeln. Ein wächserner Glanz ging davon aus, wie von dicker Schmiere. Grinsi wußte nicht, was es damit auf sich hatte. Vielleicht bestand seine Aufgabe genau darin, dies herauszufinden. Gewissenhaft holte er einen Umschlag hervor, kratzte etwas von der Substanz hinein, klebte ihn zu und schrieb eine Nummer darauf.
Dann nahm er den Ikonographen und fertigte einige Bilder von der Leiche an.
Während er damit beschäftigt war, fiel ihm etwas auf.
Mumm hatte ein Lid des Toten gehoben, und das betreffende Auge stand noch immer offen – Pater Tubelcek schien in die Ewigkeit zu zwinkern.
Grinsi beugte sich näher. Er hatte zunächst geglaubt, es sich nur eingebildet zu haben, aber bei näherem Hinsehen…
Selbst jetzt war er nicht ganz sicher. Manchmal spielte einem die Phantasie seltsame Streiche.
Er öffnete die kleine Klappe des Ikonographen und sagte zu dem Kobold im Innern des Apparats:
»Kannst du ein Bild vom Auge malen?«
Das kleine Geschöpf blickte durch die Linse. »Nur vom Auge?« quiekte es.
»Ja. Und möglichst groß.«
»Du bist ja krank, Mann.«
»Und sei still«, sagte Grinsi.
Er stellte den Ikonographen auf den Tisch. Aus dem Apparat drang das Geräusch von Pinselstrichen. Nach einer Weile wurde eine Kurbel gedreht – ein Bild glitt aus dem Ausgabeschlitz.
Grinsi betrachtete es eine Zeitlang. Schließlich klopfte er an den Kasten, und die Klappe öffnete sich.
»Ja?«
»Noch größer. So groß, daß es das ganze Papier füllt.« Der Zwerg starrte auf das Bild. »Mal am besten nur die Pupille. Das Ding in der Mitte.«
»Die Pupille? Und sie soll das ganze Papier füllen? Du hast sie ja nicht mehr alle.«
Grinsi rückte den Ikonographen etwas näher an die Leiche heran. Zahnräder klickten, als der Kobold die Einstellung der Linsen veränderte. Anschließend waren wieder Pinselstriche zu hören.
Ein zweites, noch feuchtes Bild glitt durch den Schlitz. Es zeigte eine schwarze Scheibe.
Und noch etwas mehr.
Grinsi sah ganz genau
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