Hohle Köpfe
Arbeitszimmer gefunden.«
»Meine Güte. Vermutlich… zuviel Arbeit. Hab’s übertrieben. Nun, ich danke dir. Wenn du mir beim Aufstehen behilflich sein könntest…«
Lord Vetinari stemmte sich hoch, zögerte und sank zurück. Er war sehr blaß. Schweiß perlte auf seiner Stirn.
Jemand klopfte an die Tür. Mumm öffnete sie einen Spalt.
»Ich bin’s, Fred Colon. Ich habe eine Nachricht bekommen. Äh… was ist hier los?«
»Oh, Fred. Wen von der Truppe hast du mitgebracht?«
»Die Obergefreiten Feuerstein und Klaps, Herr Kommandeur.«
»Gut. Jemand soll zu mir nach Hause laufen und Willikins auffordern, mir meine Straßenuniform zu bringen. Und mein Schwert. Und meine Armbrust. Und den Beutel mit den Sachen für die Nacht. Und Zigarren. Und Lady Sybil… Teilt Lady Sybil mit, daß ich… nun, daß ich mich hier um alles kümmern muß.«
»Was ist
denn passiert,
Herr Kommandeur? Unten hat jemand behauptet, Lord Vetinari sei tot!«
»Tot?« murmelte der Patrizier. »Unsinn!« Ruckartig richtete er sich auf, schwang die Beine aus dem Bett, erhob sich – und brach auf besonders langsame und schreckliche Weise zusammen. Lord Vetinari war recht groß, deshalb überstieg die Entfernung zum Boden das normale Maß. Außerdem fiel er in Raten, gewissermaßen Gelenk pro Gelenk. Die Fußknöchel gaben nach, und er sank auf die Knie. Ihr Aufprall verursachte ein lautes Pochen, und danach knickte Lord Vetinari in der Hüfte ein. Seine Stirn landete auf dem Teppich.
»Oh«, sagte der Patrizier.
»Seine Lordschaft ist nur ein wenig…« Mumm unterbrach sich, packte Colon am Arm und zog ihn mit sich, als er das Zimmer verließ. »Ich glaube, jemand hat versucht, ihn zu vergiften, Fred. Meiner Ansicht nach steckt ein Anschlag dahinter.«
Colon wirkte entsetzt. »Bei den Göttern! Soll ich einen Arzt holen?«
»Bist du übergeschnappt? Wir möchten doch, daß er überlebt!«
Mumm biß sich auf die Lippe. Er hatte die Worte ausgesprochen, die ihm durch den Kopf gingen, und eine der Konsequenzen war vermutlich, daß die Rauchfahne der Gerüchte über die ganze Stadt wehte. »Aber jemand sollte sich um ihn kümmern…«, fügte er hinzu.
»Und ob!« bestätigte Colon. »Wie wär’s, wenn wir die Zauberer um Hilfe bitten?«
»Wie können wir sicher sein, daß
sie
nicht dahinterstecken?«
»Meine Güte!«
Mumm versuchte, konzentriert nachzudenken. Alle Ärzte in Ankh-Morpork gehörten Gilden an, und alle Gilden haßten Vetinari, woraus folgte…
»Wenn genug Wächter eingetroffen sind und du einen entbehren kannst… Schick jemanden nach Des-Königs-Daunen, um Krapfen-Karl zu holen.«
Colons Entsetzen wuchs. »Krapfen-Karl? Er hat doch gar keine Ahnung von Medizin und so! Er läßt nur Rennpferde mit irgendwelchen übelriechenden Tinkturen noch schneller laufen!«
»Hol ihn, Fred.«
»Und wenn er nicht kommen will?«
»Dann richte ihm aus, daß Kommandeur Mumm weiß, warum Lachender Junge in der letzten Woche nicht die Hundert-Dollar-von-Quirm gewonnen hat. Sag ihm auch, mir sei bekannt, daß Chrysopras bei dem Rennen zehntausend Ankh-Morpork-Dollar verloren hat.«
Colon war beeindruckt. »Deine Phantasie kann ziemlich gemein werden, Herr Kommandeur.«
»Bestimmt treffen hier bald viele Leute ein. Zwei Wächter sollen vor der Tür dieses Zimmers Posten beziehen – vorzugsweise Trolle oder Zwerge – und niemanden ohne meine Erlaubnis hereinlassen. Ist das klar?«
Colons Gesicht wurde zu einer Grimasse, als mehrere Gefühle dahinter um die Vorherrschaft rangen. »Ich meine…
vergiftet
?« brachte er schließlich hervor. »Er hat doch Vorkoster und so.«
»Vielleicht war es einer von ihnen, Fred.«
»Potzblitz! Du traust
niemandem,
oder?«
»Nein, Fred. Da fällt mir ein: Bist du der Schuldige? Nur ein Scherz«, fügte Mumm rasch hinzu, als Colon den Tränen nahe war. »Geh jetzt. Wir haben nicht viel Zeit.«
Mumm schloß die Tür und lehnte sich dagegen. Einige Sekunden später drehte er den Schlüssel um und klemmte die Rückenlehne eines Stuhls unter die Klinke.
Schließlich hob er den Patrizier hoch und legte ihn wieder aufs Bett. Der Mann stöhnte leise, und seine Lider zuckten.
Gift, dachte Mumm. Das ist schlimmer als alles andere. Es macht keine Geräusche, und der Täter kann viele Kilometer entfernt sein. Man sieht das verdammte Zeug nicht, und oft kann man es nicht einmal riechen oder schmecken. Man weiß nicht, wo es sich befindet. Nur eins weiß man: Es tötet langsam…
Lord Vetinari
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