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Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Titel: Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge González
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elegant wie eine Primaballerina. Oder anders gesagt: Ich lief herum wie eine stolze Ente, die Füße nach außen gedreht. Ich hatte meine zweite Leidenschaft gefunden: nach den High Heels nun das Ballett.
    Etwa zu der Zeit erwischte mich mein Vater dabei, wie ich mit meinen besten Freunden im Schlafzimmer spielte. Anfangs bemerkte ich ihn gar nicht, weil ich vor dem Spiegel mit den High Heels hin und her posierte. Er kam von draußen und schaute durchs Fenster. Erst als sein langer Schatten alles um mich herum verdunkelte, drehte ich mich um.
    »Was machst du denn da?«, fragte er streng.
    »Ich spiele«, antwortete ich lachend.
    »Wieso spielst du denn mit den Schuhen von deiner Oma? Das sind Frauenschuhe!«
    »Ja, aber die sind so schön«, gab ich zurück und blieb wie angewurzelt in meinen High Heels stehen, weil seine Stimme so komisch klang.
    »Männer tun so was nicht«, sagte er ernst. »Die spielen nicht mit solchen Sachen. Komm jetzt da raus und geh zu den anderen Jungs.«
    Nachdem ich die High Heels in die Kommode zurückgeräumt hatte, lief ich verstört hinaus in den Garten. Was hatte ich bloß falsch gemacht? Obwohl ich überhaupt nicht verstehen konnte, was geschehen war, gab es ab diesem Zeitpunkt die Definition: Männer spielen nicht mit solchen Sachen. Und es gab meine Frage: Warum darf ich, warum dürfen Jungs nicht mit diesen Schuhen spielen? Warum?
    Nach diesem Vorfall versuchte mein Vater mir unbedingt Baseball schmackhaft zu machen. Er nahm mich so oft es ging mit ins Stadion. Aber das Einzige, was mir an dem Spiel gefiel, waren die hübschen Baseballspieler. Ich wollte nicht Fußball oder Baseball und auch nicht mit Autos spielen wie die anderen Jungs. Die Welt der Frauen zog mich magisch an. Ich liebte Kleidung, Schminke, Schuhe und Tanzen und verbrachte meine Zeit lieber mit den Chicas meiner Familie, als draußen mit den Jungs zu spielen.
    Ich interessierte mich viel mehr für das, was meine Cousinen taten. Wir spielten zusammen mit Puppen oder taten so, als würden wir auf eine Party gehen und müssten uns hübsch machen. Ich schminkte und frisierte die Chicas, zog ihnen schöne Kleider an und stylte sie mit den Accessoires meiner Mutter. Kurz bevor sie fertig waren, lief ich in den Garten, holte Orchideen oder Mariposas und steckte sie ihnen ins Haar, so wie meine Mutter das immer machte. Meine Cousinen und ich waren unzertrennlich.
    Sobald mein Vater dazukam, ging ich weg, auch wenn ich viel lieber bei den Chicas geblieben wäre. Ich habe damals nicht wirklich verstanden, warum ich nicht mit High Heels spielen durfte. Trotzdem versteckte ich ab diesem Zeitpunkt mein zweites Ich – vor allem, wenn mein Vater in der Nähe war. Damals begann mein Doppelleben. Denn trotz aller Liebe, die ich von meiner Familie bekam, fühlte ich mich tief in meinem Inneren ein bisschen wie ein Außenseiter.
    Doch sobald der Spielverderber außer Haus war, lief ich wieder ins Schlafzimmer, holte die High Heels raus und zog sie an. Ich trug Lippenstift auf, legte den Schmuck meiner Mutter an und imitierte meine Oma, indem ich elegant im Schlafzimmer herumspazierte. Manchmal unterrichtete ich die High Heels sogar und erzählte ihnen, was ich in der Schule gelernt hatte. Dazu nahm ich ein Paar aus dem Regal, stellte es auf einen Stuhl und begann mit meinem Vortrag. Wenn ich mit den Ersten fertig war, mussten sie zurück in die Reihe und ein anderes Paar kam dran. Allein mit meinen besten Freuden war mein zweites Ich glücklich. Zwischen den hohen Schuhen und all dem Bling-Bling konnte ich meine Fantasien ausleben. Chicas, ich verstehe gut, warum ihr glücklich seid, wenn ihr viele beste Freunde im Schrank habt.
    Ein strenges Regiment
    Als ich ungefähr sechs Jahre alt war, wurde meine Mutter an der Schilddrüse operiert und musste wochenlang in Havanna im Krankenhaus bleiben. Meine vierzehnjährige Schwester versorgte meinen Vater und meinen Bruder. Wenn sie von der Schule nach Hause kam, benahm sie sich wie die Chefin des Hauses. Deshalb war ich ganz froh, dass ich als jüngstes Kind zu meiner Tante Fela musste, einer kleinen blonden Powerfrau, die nebenan wohnte. Sie hatte vier Söhne. Ihr Ältester, ein hübscher Junge mit blonden Locken, blauen Augen und ganz weißer Haut, war ein Vorbild für mich, weil er es geschafft hatte, im Ausland – in der Sowjetunion – zu studieren. Ich will das auch, sagte ich mir insgeheim, wenn er davon erzählte.
    Weil meine Tante Fela ein strenges Regiment führte, fand ich

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