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Holunderblut

Holunderblut

Titel: Holunderblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Brinkmann
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dann hat sie vor sich hin gelächelt, als würde sie in alten Erinnerungen schwelgen. Die Katharina hat immer wieder Seitenblicke auf die Hohenstein geworfen, die zwei Stühle entfernt gesessen ist, und zwischendurch ihren Prosecco getrunken. Es ist dunkel gewesen auf der Terrasse und im Garten noch dunkler, nur die Beleuchtung vom Wohnzimmer hat durch die raumhohe Verglasung geschienen. Eigentlich ein schönes Licht, ganz lange Schatten haben die Möbel und die Pflanzen auf der Terrasse geworfen, den leichten Abhang vor der Terrasse hinunter, bis die Schatten vom Dunkel der Nacht verschluckt worden sind, irgendwo jenseits der Bäume am Ende vom Grundstück, wo längst der Wald angefangen hat.
    »Also um genau zu sein, er hat gesagt, es habe gar keine Beziehung gegeben. Sie hätten sich das mehr oder weniger eingebildet und ihn über Jahre hin verfolgt, obwohl er Ihnen unmissverständlich gesagt habe, er sei nicht interessiert.«
    »Der Mann hat keine Ahnung!«, hat die Hohenstein sich jetzt ein bisschen aufgeregt. »Ich meine, während unserer ganzen Beziehung hat er, hat er   – er ist einfach nicht beziehungsfähig.«
    Diese Antwort hat so gar nicht nach der sonst so gefassten Frau Doktor geklungen, irgendwas hat sie total nervös gemacht.
    »Seine Einstellung zum Thema Frauen ist mir hinlänglich bekannt, Frau von Hohenstein, lassen wir es dabei bewenden. Ich kann mir durchaus vorstellen, wie schmerzhaft es für Sie gewesen ist, von ihm abgewiesen zu werden.«
    »Ach, das hat er behauptet?«
    »Sinngemäß. Aber ich möchte Sie eigentlich auch nicht unnötig aufregen mit alten Geschichten, weil mich mehr so die zeitnahe Vergangenheit interessiert. Zum Beispiel der 29.   Juli, das war ein Mittwoch, wie Sie vielleicht noch wissen. Der Taxifahrer, der an diesem Tag Herrn Altmann von Herrn Hafners Autohof abgeholt hat, nachdem Herr Altmann den weißen Jaguar dort zur Reparatur abgegeben hatte, hat erzählt, er habe Thomas Altmann zu Ihnen hier nach Süchting gefahren. Volle drei Tage, nachdem Ihrer Aussage nach
Funkstille
gewesen ist zwischen ihm und Ihnen.«
    Wieder hat die Tierärztin gezögert, sich eine neue Zigarette angesteckt, und diesmal war das Zittern nicht zu übersehen. Sie ist tatsächlich furchtbar nervös gewesen, aber die Katharina hat gar nicht verstanden, wie diese paar Fragen das ausrichten können bei dieser ansonsten selbstsicheren und gefassten Person.
    Und jetzt hat die Hohenstein auch gleich wieder so geklungen, recht gefasst und über den Dingen stehend.
    »Mittwochs bin ich nicht in der Praxis. Da mache ich Hausbesuche. Also müssen Sie schon meine Sprechstundenhilfe fragen. Gerne wird sie Ihnen Auskunft darüber erteilen, wo ich zur besagten Zeit gewesen bin. Tut mir leid, was Sie mir da über Thomas’ Taxifahrt erzählen, ist mir wirklich vollkommen neu.« Irgendwie siegessicher hat sie sich jetzt wieder angehört, aber trotzdem auch so ein unsicherer Beiklang in der Stimme.
    Mist, das mit dem Mittwoch, wahrscheinlich hat es gestimmt, die Ärzte haben ja immer so Hausbesuchstage, wo die Praxis bis auf einen Anrufbeantworter oder im besten Fall eine Sprechstundenhilfe unbesetzt ist. Zu blöd aber auch, darauf hat die Katharina so viel gesetzt gehabt. Egal, wer vom Pferd fällt, steigt am besten gleich wieder auf.
    »Nun ja, Frau von Hohenstein, vielleicht war es ja doch nicht so dringend zwischen Ihnen beiden, er hätte Sie sicher angerufen, wenn er hier vor verschlossener Türe gestanden wäre, wir prüfen die Aussage des Taxifahrers noch mal nach.«
    »Gut, machen Sie das.«
    »Sie hatten sich ja, wie ich gehört habe, schon am Wochenende zuvor ausreichend gesehen, zuerst bei ihm zu Hause, bis die Polen gekommen sind und es diesen hässlichen Streit gegeben hat zwischen dem Jurek und dem Wieslaw Pawliczyk, dann während der Verfolgungsjagd, bei der ein Jaguar samt Fahrer und fünfzehn Ordner voller quittierter Zigarettenschmuggeljahre im Derdorfer Weiher versenkt worden sind, und dann beim Segeln am Chiemsee. War’s schön?«
    Jetzt hat sich die Hohenstein nicht provozieren lassen. Und die Katharina hat ihren Triumph gar nicht richtig auskosten können, weil sie der Hohenstein ihr Gesicht garnicht mehr gescheit gesehen hat, weil jetzt ein Schatten über ihnen beiden gelegen ist, der von der Terrassentür her über die Terrakottafliesen und die Wiese gefallen ist, und der irgendwo weit hinten zwischen den Bäumen von der Dunkelheit der Nacht verschluckt worden ist. Sie ist

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