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Holunderblut

Holunderblut

Titel: Holunderblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Brinkmann
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Spann mich auf die Folter, damit recht schön viel Zeit vergeht. Was willst du mir sagen,
mio caro testimone

    »Lass es mich so erklären. Ihr habt hier ja diese seltsamen Kennzeichen, mit den Punkten drauf   …«
    »Das sind die Tüpferlfahrer. Ich bin auch so einer. Sie sagen, wenn ein Tüpferlfahrer vor einem fährt, dann muss man mit
allem
rechnen   – vor allem mit einem beschissenen Autofahrer   – und das alles wegen eines Nummernschildes mit einem Umlaut. Vorurteile.«
    »Ja, aber es sind verschiedene Vokale, und ich hab angefangen, mir die Punktkennzeichen zu merken, und der V70 hat AÖ und der XC90   MÜ.«
    »Matteo, das heißt, sie sind beide woanders gemeldet«, hat die Katharina geseufzt.
    »Ja, das weiß ich, Katharina. Ich weiß, dass der Besitzer nicht hier wohnt, denn hier ist AÖ.   Ich weiß auch,
wo
der Besitzer wohnt   –
und du bleibst jetzt noch hier sitzen

    Sie hat die Hand schon am Türgriff gehabt, bereit, um auszusteigen und sich in ihre Mission zu stürzen.
    »Frag mich, Katharina.«
    »Was? Ob du mich küsst zum Abschied, falls ich hier nicht wieder heil herauskomme?«
    »Unsinn. Wem der Wagen gehört.«
    Er hat sie ganz ernst angesehen. Und die Katharina hat ihm den Gefallen getan und ihn gefragt.
    »Okay. Wem gehört der Wagen?«
    »Er gehört dem Dr.   Lechner, dem Allgemeinarzt aus Weil, ich hab mir den Wagen und das Nummernschild gemerkt, als er nach dem Hausbesuch bei dir in sein Auto gestiegen und wieder gefahren ist.«
    »Oh.« Jetzt war die Katharina für einen Moment lang ehrlich verblüfft. »Was macht der Herr Doktor abends um zehn bei der Tierärztin?«
    »Dass sein Wagen da steht, kann
nichts
bedeuten   – und
alles
. Aber es heißt, Katharina, dass sie vermutlich nicht alleine ist, und dass du unter Umständen in eine seltsame Situation hineinplatzt.«
    Die Katharina hat einen Augenblick lang nachgedacht und schließlich entgegnet: »Weißt du, ich habe schon seltsamere Situationen erlebt. Und
über
lebt.« Und den Matteo wieder lieb angelächelt, mit einem leicht überheblichen Ausdruck im Gesicht.
    Der Matteo hat kurz Luft geholt, als ob er etwas entgegnen hätte wollen. Hat es dann aber bleiben lassen. Aber die Katharina ist schon die ganze Zeit entschlossen gewesen, und sie ist so schnell ausgestiegen, dass er gar nicht reagieren hat können.
    »Herrgott, Katharina, komm zurück!«, hat der Matteo ihr hinterhergerufen, nachdem sie es jetzt umso eiliger gehabt hat, aus dem Wagen zu kommen. Aber sie war schon um die Hecke verschwunden, in Richtung Tierarztpraxis, und hat es nicht mehr gehört. Außerdem hätte sie es sowieso ignoriert. Weil die Tierärztin jetzt immer interessanter geworden ist, von Zeugenaussage zu Zeugenaussage quasi.
    Bis auf den schwachen Schein einer Straßenlaterne ist es nun stockdunkel gewesen, zehn Uhr abends, und der Matteo hat gehofft, dass es nicht zu spät ist, um den Brunner anzurufen, aber in einem Notfall ist es für zwei Polizisten nie zu spät. Und deswegen hat er jetzt sein iPhone herausgezogen, dem Brunner seine Nummer gewählt, ihn tatsächlich gleich erreicht und ihm auf Englisch eine etwas wirre, schnelle, geflüsterte Zusammenfassung gegeben davon, wo
er
jetzt war, wo die
Katharina
war und was sie beide nach Süchting geführt hat.
    Der Brunner hat es nicht gleich kapiert, aber dann trotzdem versprochen, dass er Verstärkung holt und so schnell wie möglich kommt, und er, der Lucarelli, soll bitte möglichst da bleiben, wo er ist, und auf ihn warten. Und wenn die Kathi sowieso ihre Waffe dabeihat, hat der Brunner noch hinterhergeschoben, dann kommt sie schon zurecht, auch wenn die Verstärkung etwas braucht.
    Und dann ist der Matteo in seinem Wagen gesessen, hat leise Musik gehört und nachgedacht.
    Hat auf die Hecke geschaut, das war eine aus wilden Sträuchern, also nicht so vorgartentypisch. Trotzdem blickdicht. Und dann auf die Straßenlaterne, mit diesem gespenstischen Licht, fahl, wie Nebel. Auf einen lichter werdenden Baum auf der anderen Straßenseite. Und er hat überlegt, dass der Herbst in Italien viel weniger herbstlich ist, da gibt es eigentlich nur Sommer und Winter, heiß oder Regen. Und ganz selten Schnee. Was aber dann schon eine kleine Sensation ist.
    Und er hat auf sein Cockpit geschaut, das schwach weiß und rot geleuchtet hat, und auf das iPhone in seiner Hand. Hat noch ein bisschen über die Zeugenaussage vom Django nachgedacht.
    Darüber, dass ein jeder seine eigene Realität hat. Und

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