Holunderblut
anrichten.
Der Teich hat vor sich hin geplätschert und die kleinen Geräusche der Nacht übertönt. So leise wie möglich hat der Lucarelli jetzt die P7 entladen und die Munition in die Hosentasche gesteckt. Schieße nie auf einen Menschen, wenn du es vermeiden kannst.
Er hat noch einen winzigen Moment gezögert, hat auf die Verstärkung gehofft, und dann hat er der Hohenstein von hinten die rechte Hand auf den Mund gelegt und ihr mit der linken den Lauf von der Katharina ihrer Heckler & Koch gegen die Schläfe gedrückt. »
Neanche una parola
!«
Die Tierärztin war dermaßen überrascht, die hätte sich schon deswegen nicht gewehrt. Sie hat nur widerstandslosgenickt. Das Überraschungsmoment immerhin hat er schon mal hinbekommen.
»
Mi capisce
?«
Sie hat wieder genickt.
»
Allora capisce l’italiano
?«
Und noch ein Nicken.
Entweder ein Angstreflex, oder sie hat tatsächlich Italienisch verstanden.
Dann hat der Matteo gefragt, ob die Katharina im Haus ist,
sì o no
, und die Tierärztin hat genickt. Ob sie in Gefahr ist,
sì o no
, und sie hat genickt. Und dann hat der Matteo gesagt, dass sie beide jetzt ganz langsam ins Haus gehen, und sie geht voran und er mit der Pistole direkt hinter ihr, und wenn sie sich bewegt, muss er schießen, ob sie verstanden hat,
sì o no
? Sie hat genickt.
Sie soll ihn jetzt dorthin führen, wo der Dr. Lechner mit der Katharina hingegangen ist, und keine Spielchen, aber das hat die Tierärztin irgendwie nicht mehr verstanden, genickt hat sie auch nicht mehr, und kurz vor der Hauseingangstüre hat sie sich schlagartig umgedreht, und zwar wirklich schlagartig, und ihm einen Schlag gegen den Hals versetzt, und irgendwie gleichzeitig einen Tritt gegen die Knie. Eine Taekwondo-Grundübung, und der Matteo war das imaginäre Holzbrett. Und genau so ist er eingeknickt, zu Boden gesunken, hat nach Luft gerungen, und sie ist zur Haustüre hinausgehechtet, und das alles ist so schnell gegangen, dass der Matteo überhaupt nicht reagieren hat können.
Als er wieder genug Luft gehabt hat, um sich aufzurichten, hat er gehört, wie Schritte eine Treppe heraufkommen.
Er hat sich gegen die Wand im Flur gepresst und versucht,tief, aber unhörbar durchzuatmen, hat mit zitternden Fingern praktisch lautlos die Pistole wieder geladen und sie im Anschlag gehalten.
Und dann hat er die Schritte nicht mehr gehört.
Und er hat die Luft angehalten. Dem, der da kommt, würde er keine Chance lassen.
Komm rauf, dreh ja nicht um, tu ihr ja nichts an, steig diese verdammten letzten paar Stufen hoch!
Derjenige kann ihn doch nicht gehört haben. Unmöglich. Kann die Szene von eben nicht mitbekommen haben, sonst wäre er in einem ganz anderen Tempo heraufgekommen.
Und mit einem Mal hat es den Matteo gefroren. Weil er die Situation einfach nicht beherrscht hat, die Situation hat
ihn
beherrscht, so eine Scheiße. Eine Pistole, die nicht seine war, in der zitternden Hand, keinerlei Fessel, um jemanden zu fixieren, keine Handschellen, keine Verstärkung, und wieder in dieser Situation wie im Sommer in diesem abgelegenen Hof in der Toskana.
Was, wenn
sie
es ist? Du kannst nicht schießen, wenn sie ums Eck kommt. Vielleicht steht sie auf der Treppe und hat einfach nur … Angst? Und du, Lucarelli? Du hast einfach nur Angst. Angst um sie. Reiß dich zusammen.
Und dann hat er bemerkt, was ihn frieren hat lassen.
Ein Luftzug.
Die Eingangstür, durch die die Hohenstein geflüchtet war, ist immer noch offen gestanden. Und genau das hat die Person auf der Treppe auch bemerkt gehabt.
Das
hat sie zögern lassen. Eine halbe Ewigkeit lang.
Aber jetzt hat sie sich ganz leise wieder in Bewegung gesetzt. Und das Licht gelöscht. Und der Flur ist jetzt vollkommen dunkel gewesen, nur ein schwacher Schein vomWohnraum her und das milchige Straßenlampenlicht von draußen.
Der Matteo hat im Dunkeln wahnsinns schlecht gesehen, es hat immer eine Ewigkeit gebraucht, bis seine Augen sich daran gewöhnt haben, ein echtes Handicap, und jeden Moment würde die Person erscheinen, und was würde ihm anderes überbleiben als zu schießen, und was war, wenn
sie
es war?
Katharina.
Ti richiamo dopo, Matteo, du bist süß, würdest du deinen letzten Satz wiederholen, fahr vorsichtig, Lucarelli, a dopo Lucarelli,
wie sie auf der Türschwelle gewartet hat, auf ihn
… das ist doch nicht nötig, also weißt du … und jetzt hörst du auf? Ja dann …
und ein Kuss
, einfach so, Matteo, frag nicht immer, Matteo,
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