Holunderblut
um genau zu sein, weil der perfekt zu den zwei Leberwurstbroten gepasst hat, die sie sich schon geschmiert gehabt hat –, da hat sie noch einmal ihren ersten Arbeitstag in Weil Revue passieren lassen und ihr halbes Leben nebenbei auch. Weil, egal wo du aufgewachsen bist, wenn du jahrelang fort warst und dann wieder heimkommst und alles ist noch so wie früher, dann erinnert dich das an deine Kindheit, jedes Detail. Und jeder Geruch. Zum Beispiel die Leberwurst vom Metzger Harlander, die riecht heute noch genauso wie damals.
Also der Katharina ihre Revue.
Am Morgen dem Brunner seine schlechte Laune, die erste Begegnung mit dem Hansi und der Anni, der Besuch beim Hafner, wo sie den Fichtner Jakob kennengelernt hat, ihr Golf angefahren und repariert worden ist, dem Tandler seine Geschichte vom Altmann Thomas und seinen Jaguars und Frauen, chronologisch: Anna, schwarz, 300 PS, Exfrau Clara, golden, Sabine, Tierärztin aus Süchting, weiß mit blauroten Sprenklern. Das hat sie sich nach alter Manier in ein kleines Heft notiert, weil es schon manchmal hilft, wenn ein paar Gedankengänge da schwarz auf weiß stehen, du sie weglegen und bei Bedarf wieder rausholen kannst.
Auf dem Rückweg von Halling nach Weil heute Vormittag hat die Katharina sich noch einen kleinen Umwegerlaubt, über Süchting, das so seine 10, 12 km östlich von Halling liegt. Ein kleines Kaff eigentlich, aber einen Metzger und sogar einen Friseur gibt es dort schon. Und beim Friseur hat sie dann nach der Tierarztpraxis gefragt, weil wenn du was wissen willst auf dem Land, dann gehst du zum Friseur.
In der Tierarztpraxis war sie anschließend auch noch – ein wunderschöner, teuer ausgestatteter, eingeschossiger Neubau, an einen alten Hof drangebaut. Dahinter ist es noch weitergegangen, das hat man aber von der Straße aus nicht wirklich sehen können, Privathaus wahrscheinlich, alles neu und tipptopp, dass du dich fragst, wie jemand im lupenreinen Außenbereich eine Baugenehmigung für so was kriegt. Da hat die Katharina irgendwie das Gefühl gehabt, dass die Tierärztin wohl schon die richtigen Leute kennt da heraußen.
Es war dann aber nur die Sprechstundenhilfe da, und die Katharina hat sich extra einen Grund für ihren Besuch zurechtgelegt gehabt, nämlich einen Milbenbefall bei den Hühnern von ihren Vermietern. Frau Doktor von Hohenstein sei momentan im Außendienst, hat die Sprechstundenhilfe gemeint, rufe aber gerne zurück. Wenn die Frau Berger ihre Nummer dalassen möchte?
Zurück in der Dienststelle in Weil hat sie einen kurzen Aktenvermerk gemacht, da war der Mittag auch schon rum. Dann ist der Brunner wieder erschienen und hat der Katharina ihre Tüchtigkeit und Selbstständigkeit bewundert und gelobt, dass es ihr fast schon unangenehm war, und die ganze Dienststelle auf ein paar Harlander-Leberkassemmeln eingeladen. Und alle haben dieses Friedensangebot gleich angenommen, auch die Katharina, obwohl sie Leberkäse gar nicht mehr gemocht hat. Wenn du dicherst einmal deine ganze Kindheit über auf dem Land durch Leberkassemmeln gefressen hast, dann langt’s dir eigentlich fürs Leben.
Der Nachmittag ist ruhiger gewesen. Ein paar Reklamationen über längst fällige Verwarnungsgelder, ansonsten nichts los. Bis der Brunner mit der Katharina kurz vor Dienstschluss dann doch noch ausgerückt ist, weil es in dem kleinen Asylantenheim in Derdorf einen Streit zwischen einem Kosovo-Albaner und einem Schwarzafrikaner gegeben hat. Was sich dann aber als Missverständnis herausgestellt hat.
In der Zwischenzeit ist der Autotandler da gewesen, hat den Einsatzwagen 2 mitgebracht und dem Hansi und der Anni seine Vermisstenanzeige dagelassen, so dass die Katharina im Nachhinein den Eindruck gewonnen hat, dass der vielleicht im Grunde ganz zuverlässig ist, ausschweifendes Gelaber hin oder her.
Um fünf war für sie Dienstschluss, und sie ist schnell noch beim Edeka vorbeigefahren, Espresso kaufen und Wein vor allem. So was darf ja nie ausgehen.
Und dann heim ins Austragshäusl.
Der Peter hat sie aus der Stalltüre heraus begrüßt, wo er gerade ökologisch ausgemistet hat, mit Schubkarrn und Handgerät. Da hat sich die Katharina ganz heimatlich gefühlt.
Sie hat sich Leberwurstbrote gemacht und den Merlot geöffnet, sich Gedanken über Italien und ihren Matteo gemacht, mit dem sie vorgestern das letzte Mal telefoniert hatte. Da hatte
sie
angerufen, deswegen war jetzt eigentlich
er
dran.
So was ist ja praktisch ein Naturgesetz in
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