Holunderblut
Doktortitel hat sie auch gleich weggelassen, um die Tierärztin wieder ein bisschen runter auf ihre eigene Augenhöhe zu bringen. »Wann hätten Sie denn Zeit für ein Gespräch?«
»Ich sitze im Auto, da ich gerade von einem Außentermin komme, und ich könnte jetzt gleich bei Ihnen vorbeikommen – privat, was mir ohnehin lieber wäre, als in die Polizeidienststelle von Weil zu müssen. Wenn es Sie nicht stört? Und Sie Zeit haben?«
Die Katharina hat in die untergehende Sonne geschautund dann auf ihr angebissenes Leberwurstbrot. Wirklich eine ziemlich direkte Person, diese Tierärztin. Aber der Katharina war das schon recht. Sie hat sich nämlich ohne die Uniform und in ihrem Austragshäusl sowieso viel wohler gefühlt als in der kleinen förmlichen und stickigen Dienststelle.
Obwohl, der Vorschlag, noch vorbeizukommen, war auch fast ein bisschen übergriffig von dieser Hohenstein. Aber die Katharina hat gleich gespürt, an dem Fall ist mehr dran. Die Eile und die unausgesprochene Bitte um Diskretion seitens der Tierärztin haben ihr gesagt, dass sie heute Abend ganz was Wichtiges erzählt kriegt.
Eine Viertelstunde später ist dann ein recht neuer, aber von den vielen Außeneinsätzen auf diversen Bauernhöfen auch recht verdreckter dunkelgrüner V70 auf den Hof gerauscht, und ausgestiegen ist eine Frau, dass sich die Katharina als Mann gleich alle zehn Finger abgeschleckt hätte nach der.
Das hat der Hafner schon treffend beschrieben, das Attraktive, aber nicht dass die Hohenstein das irgendwie bewusst unterstrichen hätte.
Ein ganz ein normales Gewand hat sie angehabt, fast ein bisschen gewollt schlampig, Hosen mit aufgesetzten Taschen, wohin du nur schaust, und ein langes T-Shirt , beides in Tarngrün und noch verdreckter als ihr Auto. Nach Kuhstall hat sie gerochen, das hat ihr, ohne dass sie es hätte ahnen können, bei der Katharina einen dicken Pluspunkt eingebracht.
Die dunklen Locken waren zu einem unordentlichen Zopf gebunden, die leicht gebräunte Haut voller Sommersprossen, und ihre Augen so klar und grün wie ein Gebirgsbach. Eine natürliche Schönheit. Bewegt hat sie sichwie eine Adlige. Eine
gschtörte Stalkerin
hat die Katharina sich zumindest anders vorgestellt.
Die Tierärztin hat nett gelächelt und der Katharina ihre Hand geschüttelt, und die Katharina hat gemerkt, was für einen festen Händedruck die Tierärztin hat. Das war eine, die gut zupacken kann. Musst du auch als Tierärztin, wenn du zum Beispiel bei einer Kuh Geburtshilfe leistest.
»Sabine von Hohenstein.«
»Katharina Berger.«
»Freut mich sehr. Auch, dass ich so spontan vorbeikommen durfte.« Sie hat sich kurz umgeblickt. »Wunderschöner Hof. Sie wohnen im Austragshäusl?«
»Die Allmandingers haben mich aufgenommen wie eine Tochter«, hat die Katharina nicht ohne Stolz erklärt.
»Ich war noch nie hier. Entweder sie haben einen anderen Tierarzt, was ich natürlich bedauern würde, oder aber einfach nur gesundes Vieh.«
»Letzteres, tät ich sagen. Liegt vielleicht daran, dass das hier seit Jahrzehnten ein Biohof ist«, hat die Katharina lächelnd nachgeschoben.
»Ja, ich hab das Bioland- und das Demeterschild an der Hauswand bei der Hofeinfahrt gesehen.« Aufmerksame Frau, die Tierärztin. Sie hat sich noch einmal kurz umgeblickt, und der Katharina ist es so vorgekommen, als ob die Hohenstein sich vergewissern hat wollen, dass sie alleine waren.
»Schönes Eck«, hat die Tierärztin sich wiederholt. »Sieht mir gar nicht wie das Zuhause einer Polizistin aus.«
Irgendwas an dieser Bemerkung hat die Katharina auf einmal gestört. »Wie sieht denn das Zuhause einer Polizistin Ihrer Meinung nach aus?«, hat sie deswegen ein bisschen bissig gefragt.
»Weiß nicht«, hat die Hohenstein gleich einen Rückzieher gemacht. »Weniger … natürlich, weniger inspirierend.«
Da ist der Katharina einfach nichts mehr eingefallen. Aber der Hohenstein natürlich schon. Auch wieder so eine, die ganz gern geredet hat. »Nun, Sie sehen ja auch nicht wie eine typische Polizistin aus.« Weil die Katharina darauf nicht reagiert hat, ist die Hohenstein von ihren Floskeln und Klischees runtergekommen und hat gesagt: »Aber ich komme ja wegen unseres Telefonats.«
Die Katharina hat genickt, obwohl sie lieber angewidert den Kopf geschüttelt hätte, als die Hohenstein da eben auf so eine arrogante Art und Weise den Genitiv verwendet hat, den du im Bairischen praktisch gar nicht kennst, und den manche Leute gern benutzen, wenn
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