Holunderliebe
du?«
»Ich habe nie die gesamte Pflanze gesehen. Und als der Medicus sie mir in die Hand gegeben hat, habe ich nicht einmal nach ihrer richtigen Verwendung gefragt. Sicher, es sind Samen, also kann man sie wohl einpflanzen. Ob die Pflanze, die so entsteht, aber lieber im Schatten oder in der Sonne gedeiht – ob man ihre Blätter als Tee trinken soll oder ihre getrockneten Früchte kaut, kann ich dir nicht sagen. Ich habe nicht daran gedacht, danach zu fragen. Er hat sich ja um mich gekümmert, was wollte ich mehr?«
»Wir weichen die Samen für einen Tag in Wasser ein und legen sie dann in die Erde eines Beetes«, entschied Walahfrid. »Dann sehen wir, was passiert. Vielleicht gibt mir das Aussehen der Pflanze ja einen Hinweis darauf, wie ich sie am besten einsetzen kann.« Er richtete das eine Auge auf seinen Freund. »Wie hat er dir denn deine Medizin verabreicht?«
»Meist in Form eines Tees, dazu fast jeden Tag ein Pulver, das er in meinen Brei gerührt hat.« Nachdenklich zupfte Thegan an seinem Ohrläppchen. »Außerdem hat er mir eine klebrige Paste auf die Wunde geschmiert. Sie roch harzig.«
Walahfrid schnüffelte erneut an den Samen. »Die hier nicht, aber das kann sich ändern, wenn man sie zerdrückt.« Er schüttelte den Kopf. »Aber nein, das ist mir zu riskant. Wir pflanzen sie ein.«
Mit diesen Worten schüttete er die kleinen Kugeln in eine tönerne Schale, gab etwas Wasser dazu und stellte sie in die warme Erde. »So werden die Samen bald keimen. Wenn es denn wirklich Samen sind.« Leise murmelte er ein lateinisches Gebet. Wenn Thegan es recht deutete, dann flehte er um Vergebung, dass er eine Pflanze aus dem Land der Ungläubigen im geweihten Boden eines Klosters versenkte. Darüber hinaus bat er um Schutz für seine restlichen Kräuter, sollte dieser Fremdling Unheil bringen. Und dann murmelte er noch etwas über einen Segen für Frauen, den Thegan nicht recht verstand. Der Mönch lächelte ihn nach vollbrachtem Werk an: »Jetzt können wir nur noch beten, dass diese Samen noch fruchtbar sind und wir die richtige Art des Pflanzens erraten haben.«
Damit wischte er sich einige Schweißperlen von der Stirn und wandte sich ab, um auch die restlichen Pflanzen vor der Mittagshitze mit Wasser zu versorgen. Er deutete auf einen Ledereimer, der in der Ecke stand. »Kannst du mir den Eimer noch einmal füllen?«
Thegan nickte und machte sich auf den Weg.
Der Sommer hatte sich längst über die Sintlasau gesenkt und sorgte dafür, dass viele Dinge des täglichen Lebens beschwerlicher als sonst waren.
Auch Rothild stöhnte, als sie sich wenig elegant neben Hemma ins Gras fallen ließ. »Es sollte verboten werden, in der heißesten Zeit des Jahres ein Kind unter dem Herzen zu tragen! Wenn die Geburt nicht mehr fern ist, dann ist es einfach unerträglich!«
»Was denkst du, wie lange dauert es noch?«, wollte Hemma wissen. Um in der gleichen Sekunde begeistert auf Rothilds Kleid zu deuten, das sich an der Seite deutlich sichtbar bewegte. »Sieh nur, es bewegt sich! Es ist ein kräftiges Kind!«
»Wem sagst du das?«, knurrte Rothild wenig begeistert. »Ich spüre jeden einzelnen Tritt. Das Kleine hat mir von innen schon die Rippen gebrochen. Zumindest fühlt es sich so an. Wenn es erst auf der Welt ist, werden mir viele unruhige Nächte bevorstehen, das spüre ich jetzt schon.«
»Und wann ist es so weit?«, beharrte Hemma auf ihrer Frage.
»Das wird schon noch einige Wochen dauern«, erklärte Rothild. »Es hat sich noch nicht gesenkt, das sagt auch die Hebamme. Erst wenn es sich dreht und mir nicht mehr direkt unter dem Herzen sitzt, rückt die Geburt näher. Ich denke, es wird zur Zeit der Traubenlese sein. Vielleicht auch schon früher.« Sie sah ihrem kleinen Sohn zu, der am Seeufer mit ein paar Steinchen spielte. »Ich hoffe, diese Geburt wird leichter als die letzte. Je näher meine Zeit rückt, desto mehr fürchte ich die Schmerzen.«
»Ist es wirklich so schlimm?« Hemma sah ihre Freundin gespannt an. »Ist es nicht so, dass das neugeborene Kind in deinen Armen dich für alle Mühen entlohnt?«
»Ja, es ist ein gerechter Lohn. Aber die Schmerzen …« Rothild sah sich suchend um und entdeckte am Seeufer einen Stein, den man mit etwas Mühe auf der flachen Hand halten konnte. »Nimm ihn, und halte ihn mit ausgestrecktem Arm auf der Handfläche.«
Mit einem fragenden Blick auf ihre Freundin nahm Hemma den Stein, legte ihn sich auf die Hand und streckte den Arm zur Seite. »Was soll
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