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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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es wieder zu einem Angriff auf Barcelona. Meine Kameraden stürmten die Stadtmauer, kämpften sich durch die Häuser und kannten kein Erbarmen. So kamen sie auch in unser Haus. Und ich Feigling ließ sie gewähren. Ich sah einfach zu, wie sie durch die Tür brachen, das Haus in Flammen aufgehen ließen und meinen Retter abschlachteten.« Er biss sich auf die Lippen. »Ich hätte mich vor ihn stellen sollen. Ihn vor meinen Landsleuten retten. Mich für seine Liebe und Fürsorge besser erkenntlich zeigen, als ich es getan habe. An diesem Tag habe ich versagt.«
    »Hättest du denn schon aufstehen können?«, fragte Walahfrid vorsichtig nach. »Haben die Soldaten denn überhaupt auf dich geachtet, als sie in das Haus kamen? Hättest du wirklich etwas verhindern können?«
    Thegan hob seine Hände. »Ich weiß es nicht. Aber was ich weiß, ist, dass ich es nicht einmal probiert habe. Meine Stimme habe ich erst erhoben, als sie brandschatzend durch das Haus gezogen sind. Sie kamen in das Zimmer, in dem ich seit Wochen lag, und wollten mich schon niedermetzeln – da habe ich mich zu erkennen gegeben. Sie waren wohl der Meinung, dass der Medicus mich als seinen Gefangenen hielt. Jedenfalls feierten sie meine Rettung, als hätten sie ein Wunder vollbracht. Und ich sagte immer noch kein Wort. Auch dann nicht, als sie mich mit sich nahmen. Unten, am Eingang des Hauses, sah ich meinen Wohltäter. Er blickte mich aus seinen dunklen Augen an, und ich war mir nicht einmal sicher, ob er noch am Leben war. Für ihn und seine Seele hoffe ich, dass er es nicht war.«
    »Du denkst, er hat eine Seele?« Walahfrid sah seinen Freund besorgt an. Thegan liefen unaufhörlich Tränen über die Wangen. Zum ersten Mal hatte er von jener Nacht erzählt, in der ihn sein Mut verlassen hatte.
    »Sicher hatte er eine. Das konnte man bei jeder seiner Berührungen spüren, mit denen er an meine Wunden gerührt hat. Er hatte mehr Mitleid als so mancher Christ. Und ich habe nicht einmal nach seinem Namen gefragt.«
    »Was passierte dann?«, wollte Walahfrid wissen.
    »Die Metzger übernahmen das Kommando«, erklärte Thegan mit einem schiefen Lächeln. »Meine Wunden waren noch nicht verheilt, weshalb sie beim Transport durch die Straßen von Barcelona wieder aufgeplatzt sind. Als wir im Heerlager ankamen, war ich dem Tod näher als dem Leben. Wieder einmal. Aber dieses Mal wurde ich nach der Sitte unserer Väter behandelt. Die Wunden wurden mit glühendem Eisen ausgebrannt, mit Schmalz eingerieben, und ich wurde zur Ader gelassen. Ein Wunder, dass ich nicht daran gestorben bin. Es dauerte Monate, bis ich langsam meine Kräfte zurückgewann. Als ich mich gesund genug für die Reise fühlte, kam ich hierher.«
    Walahfrid sah seinen Freund mitfühlend an. »Und du hattest nur zwei Gewänder, diese Samen und deine Albträume im Gepäck …«
    »Vergiss nicht meinen Sold, den ich im Lauf der Jahre zusammengespart habe. Sonst wäre dein Abt wohl nicht so gastfreundlich.« Thegan lächelte. »Und ich habe mir ein paar Monate Zeit gegönnt, bevor ich mir wieder Gedanken über mein Leben als kleiner Bruder und drittgeborener Sohn machen muss.«
    »Die Albträume …«, fing Walahfrid behutsam an.
    Thegan nickte. »Es ist immer wieder diese Nacht, in der mein Medicus ums Leben kam. Immer wieder seine Augen, die mit jeder Nacht lebendiger sind. Die mich fragen, wie er mir noch mehr Freundschaft hätte anbieten können.«
    »Du warst ja nicht einmal im selben Raum wie er, als er umgebracht wurde«, wunderte Walahfrid sich. »Wie kann es dann sein, dass dich die Ereignisse derart verfolgen?«
    »Wenn du dich jahrelang selbst belügst und dir erklärst, dass es in Ordnung ist, Mauren umzubringen, dann ist es schwer zu ertragen, wenn man ihre Menschlichkeit und ihre mitfühlende Art am eigenen Leib erkennt. Es stellt alle Kämpfe, alle Morde infrage.« Er sah den Mönch nachdenklich an. »Manchmal kann es einen auch schützen, wenn man seine tröstenden Gedanken nicht mit dem wahren Leben vergleichen muss.«
    »Du quälst dich trotz allem zu sehr«, meinte Walahfrid in einem Ton, der keine Widersprüche duldete, und griff nach dem Beutel mit den Samen. »Aber jetzt kann ich verstehen, warum du keine Angst vor einem verborgenen Gift hast. Wir sollten also überlegen, was wir mit diesem arabischen Kraut anfangen.« Er sah es nachdenklich an. »Es sieht so aus, als ob es ursprünglich aus einer Schote stammt, so wie eine Bohne vielleicht. Was meinst

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