Home - Wieder zu Hause
ihn.
„Das ist spitze, Ben! Ist es nicht eine der besten für dein Studium? Du freust dich bestimmt wahnsinnig!“
Ben war ein fröhlicher Mensch und der Mittelpunkt jeder Party. Außer den Problemen mit Noah hatte ihn nie etwas aus der Ruhe gebracht. Ich hatte ihn noch nie so nervös erlebt wie an diesem Tag.
„Hmm, ja. Stimmt schon. Du bleibst hier, ja?“
Ich nahm an einem 3/2-Programm an unserem staatlichen College teil. Das hieß, ich würde fünf Jahre brauchen anstatt der üblichen vier, um meinen Magisterabschluss zu machen.
„Yup. Ich brauche noch ein Jahr.“
„Ich bin auch hier akzeptiert worden. Ich könnte bleiben.“
„Sicher haben sie dich hier angenommen, du bist ja mehr als gut. Aber jetzt kannst du das hinter dir lassen, Chicago wird bestimmt um Klassen besser sein. Komm, Bruderherz. Wir gehen feiern.“
Er ergriff meinen Arm und ich sah ihn überrascht an. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten.
„Wir sind keine echten Brüder, Clark. Meinst du wirklich, ich soll nach Chicago gehen?“
Ich fühlte mich plötzlich unangenehm und schüttelte seine Hand ab.
„Na ja. Du bist das nächste, was ich zu einem Bruder habe. Und natürlich solltest du gehen. Es ist eine wunderbare Chance und du wirst die Stadt lieben. Komm schon, wir trommeln die Leute zusammen und dann feiern wir. Ich gebe sogar die erste Runde Rote Schlampen aus.“
Leute, das ist ein Drink. Natürlich war es durchaus möglich, dass Ben die erstbeste Rothaarige der Liste seiner Freundinnen hinzufügte. Aber ich meinte den Drink.
I CH hattedas Glück, dass meine Prüfungstermine in diesem Jahr sehr früh lagen. Deshalb konnte ich schnell aus dem Haus unserer Studentenvereinigung ausziehen und meine eigene Wohnung beziehen. Ich hatte zwar noch ein Jahr College vor mir, aber vier Jahre in dem Verein waren mehr als genug. Die meisten meiner Freunde würden sowieso die Stadt verlassen, entweder um auf eine weiterführende Universität zu gehen, in einer anderen Stadt einen Job anzunehmen oder um in ihre Heimatstadt zurückzukehren.
Ben ging direkt nach dem Abschluss zu seinen Eltern zurück. Er würde dort einige Tage bleiben und Einkäufe erledigen. Dann wollte er den Sommer in Europa verbringen, bevor er nach Chicago ging. Er versuchte, mich zu überreden ihn zu begleiten, wollte mich sogar einladen. Aber ich schlug seine Einladung aus. Ich begründete es mit Geldmangel und das war auch wahr. Ich war finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet. Aber der Hauptgrund für meine Absage war die Hoffnung, Noah zu sehen.
Noahs Schulabschluss fiel in die gleiche Woche wie Bens Abschluss am College. Wir telefonierten immer noch wöchentlich und schrieben uns noch öfter. Aber Noah hatte mir nie erzählt, was er nach der Schule vorhatte und ich hatte ihn auch nicht danach fragen wollen. Ich weiß bis heute nicht, warum. Vielleicht wollte ich nicht, dass er sich wegen seines Versprechens von vor vier Jahren mir gegenüber verpflichtet fühlte. Oder ich wollte nicht hören, was ich immer befürchtet hatte – nämlich, dass er nach der langen Zeit nicht mehr an mir interessiert war.
Vor vier Jahren hatte meine Tante die Möbel und alle anderen Haushaltsgegenstände meiner Mutter eingelagert. Als ich die neue Wohnung bezog, tauchte mein Onkel mit einem Umzugswagen auf und brachte mir die Sachen zurück. Einige Freunde, die Emile City noch nicht verlassen hatten, halfen mir dabei, sie auszuladen und die Wohnung einzurichten.
Dann lud mich mein Onkel noch zum Essen ein, bevor er sich auf den Rückweg machte. Ich hatte gerade das Bett bezogen und überlegte, ob ich noch die Kücheneinrichtung auspacken sollte. Da klopfte es an der Tür. Vorsichtig stieg ich über die Umzugskisten und ging zur Wohnungstür.
Als die Tür aufging, musste ich den Kopf heben, um in seine braunen Augen sehen zu können. Er war jetzt fast zwei Meter groß und seine breiten Schultern noch imposanter, als sie es vor vier Jahren schon gewesen waren. Er trug orangefarbene Turnschuhe, ausgefranste Leinenhosen und einen langärmeligen Pullover über einem weißen T-Shirt. An seinen Handgelenken hatte er Armbänder aus Leder und um seinen Hals hing ein Lederband mit einem Yin-Yang-Anhänger. Seine braunen Haare waren lang und mit sonnengebleichten Strähnen durchzogen. Den Schatten in seinem Gesicht konnte man noch nicht als Bart bezeichnen, aber er hatte sich offensichtlich seit Tagen nicht rasiert. In der Hand hielt er die größte Reisetasche,
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