Homicide
ist, Edgerton beißt sich trotzdem durch. Bei Tagesanbruch hat er eine elfseitige Aussage von Dale mit dessen neuester Version. Mittlerweile will er die Mordwaffe an Lips und einen anderen Mann von der East Side ausgeliehen haben, dessen Namen er auch tatsächlich nennt. Offenbar hat Eugene Dale mit ihm noch eine alte Rechnung offen. Dale gibt zu, Andrea Perry mit seiner Nichte spielen gesehen zu haben, und er gibt auch zu, in der Nähe gewesen zu sein und den Schuss gehört zu haben. Schließlich versteigt er sich sogar zu der Behauptung, er sei nicht zur Polizei gegangen, weil er nicht in die Sache verwickelt werden wollte, obwohl er bemerkte, dass eine Kugel fehlte, als seine Freunde die Waffe zurückgaben und obwohl er glaubte, dass sie das Mädchen vergewaltigt und getötet hatten.
»Ich bin immerhin auf Bewährung«, erinnert er Edgerton.
Bei Morgengrauen sitzt Edgerton in einem Verwaltungsbüro vor einer Schreibmaschine und tippt auf zwei Seiten die Belastungspunkte zusammen. Als er die Blätter Dale vorlegt, überfliegt der sie und zerreißt sie dann kurzerhand, womit er es sich mit Edgerton, der nicht gerademit Fingerfertigkeit auf der Schreibmaschine glänzen kann, endgültig verdirbt.
»Das brauchen Sie nicht«, sagt Dale, »weil ich Ihnen jetzt die Wahrheit sage. Ich habe das Mädchen nicht umgebracht. Und ich weiß auch nicht, wer es war. »
Edgerton hört sich Version Nummer drei an.
»Ich weiß nicht wirklich, wer sie getötet hat. Das andere habe ich nur gesagt, um meine Freundin und ihre Familie zu schützen. Wenn ich tagsüber auf der Arbeit bin, gehen ihre Verwandten aus und ein. Es sind dauernd welche von ihren Geschwistern da, auch wenn ich schlafe.«
Edgerton sagt nichts dazu. Weshalb auch?
»Einer von ihnen muss die Waffe im Kleiderschrank versteckt haben. Und einer von ihnen muss das Mädchen umgebracht haben.«
»Wussten Sie, dass die Waffe im Kleiderschrank war?«, fragt Edgerton, schon fast gelangweilt.
»Nein. Schließlich weiß ich, dass auf unerlaubten Waffenbesitz fünf Jahre stehen. Keine Ahnung, wer den Revolver ins Haus gebracht hat. Wirklich nicht.«
Edgerton nickt, verlässt den Verhörraum und geht wieder zur Schreibmaschine zurück.
»Roger, schau mal, was das Arschloch gemacht hat«, sagt er und zeigt ihm die Papierfetzen. »Das hat mich vierzig Minuten Arbeit gekostet.«
»Das hat er sich getraut?«
»Ja«, lacht Edgerton. »Er hat gemeint, ich brauche es nicht mehr, weil er mir jetzt die Wahrheit sagen will.«
Nolan schüttelt den Kopf. »Das hast du davon, wenn du ihm die Aussage noch mal vorlegst.«
»Vielleicht kann ich es ja zusammenkleben«, sagt Edgerton, eher resigniert als hoffnungsvoll.
Die allerletzte Aussage von Eugene Dale steht, als sich die Detectives der Frühschicht im Hauptbüro versammeln, und etliche von ihnen sind schon draußen auf der Straße, bevor Edgerton die Verhaftungspapiere noch einmal getippt hat.
Ungefähr eine Stunde später ist der Gefangenentransporter des Southern District da. Dale werden Handschellen angelegt, um ihn inden District zurückzubringen, wo er einen Anhörungstermin wegen der Kaution hat. Beim Gang über den Korridor verlangt er schon wieder, mit Edgerton zu reden und will eine neue Aussage machen. Niemand geht mehr darauf ein.
Doch es kommt noch zu einer letzten Begegnung. Etwa eine Woche nach der Verhaftung gibt Edgerton seine Waffe am Eingang Eager Street des Stadtgefängnisses von Baltimore ab und folgt einem Wärter zu dem Dreckloch, das die Gefängnisverwaltung eine Krankenstation nennt. Es ist ein weiter Weg, der über eine Eisentreppe und über einen Gang führt, vorbei an zahllosen gescheiterten Existenzen. Die Häftlinge, die Edgerton auf dem Weg zur Verwaltung des medizinischen Trakts vorbeikommen sehen, verstummen.
Eine beleibte Krankenschwester nimmt ihn in Empfang. »Sie bringen ihn gerade aus der Zelle hoch.«
Edgerton zeigt ihr einen richterlichen Beschluss, den sie kaum eines Blickes würdigt. »Kopfhaar, Brusthaar, Schamhaar und Blut«, sagt er. »Ich nehme an, Sie machen das nicht zum ersten Mal.«
»Mmm-hmm.«
Eugene Dale biegt um die Ecke. Beim Anblick von Edgerton bleibt er wie angewurzelt stehen. Die Krankenschwester weist den Gefangenen mit einer Geste an Edgerton vorbei in einen Behandlungsraum. Der Detective bemerkt die Schrammen und blauen Flecken, offenbar ist er verprügelt worden, und das nicht zu knapp. Auch im Stadtgefängnis können sich die Verbrechen dieses Mannes einer
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