Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
politische Gegner der Familie, Kapital aus der Situation zu schlagen. Sie mussten allerdings feststellen, dass der Feng-Clan sich auch durch solche Schicksalsschläge nicht aus seinen Machtpositionen drängen lässt.“ Er erwähnte nicht, dass er damals öfter zugunsten der Fengs in den Lauf der Dinge eingegriffen hatte.
„So, und nun scheint es, als würde sich einer aus der nächsten Feng-Generation für höhere Aufgaben eignen. Also, meine liebe Mai, was können Sie mir berichten?“
Mai Song hatte sich inzwischen beruhigt, sie sprach mit klarer Stimme.
„Dérúgo Feng kam im Alter von acht Jahren, als sein Vater Wei Feng sich seine Sporen im diplomatischen Dienst verdiente, nach Deutschland. Als sein Vater drei Jahre später den nächsten Karriereschritt nach Südafrika machte, beschloss der Feng-Clan, dass Dérúgo in Deutschland bleiben sollte, um die Sprache und die Kultur zu lernen. Seitdem hasst er Deutschland.“
„Er hasst Deutschland?“ Deng runzelte die Stirn. Diese Aussage war in ihrer Absolutheit neu für ihn.
„Ja, das liegt vor allem an negativen Erfahrungen in seiner Schulzeit. In den ersten zwei Jahren ging er auf eine internationale Schule, danach wurde er in eine normale deutsche Schule eingeschult. Seine Schulzeit war hart. Er hatte keine richtigen Freunde – wenn sich etwas in diese Richtung entwickelte, gab es stets Mitschüler, die dies zu verhindern wussten. Am Anfang hänselten sie ihn, weil er die Sprache noch nicht beherrschte, später wegen seiner Hautfarbe und dann aufgrund seiner Nationalität. Seine Mitschüler riefen ihn Komu, wie Kommunist. Einzelne Lehrer haben diesen Namen einfach übernommen, da er ihnen wohl einfacher schien als sein richtiger Vorname.“
„Woher haben Sie die Informationen, Mai?“
„Da sein Vater Wei Feng Botschafter war, stand Dérúgo unter Beobachtung. Es gibt umfangreiche Berichte über seine Schul- und Studienzeit.“ Deng gab ihr ein Zeichen fortzufahren.
„Auf dem Gymnasium besserte sich seine Situation etwas, aber sein Deutschlehrer hat ihn deutlich spüren lassen, was er unter Deutsch verstand – und das betraf nicht nur die Sprache. Dérúgo sprach zu dieser Zeit neben seinem chinesischen Heimatdialekt und Mandarin auch Deutsch und Englisch nahezu perfekt. Er galt als fleißiger und disziplinierter Einserschüler in allen Fächern, bis auf Deutsch. Er war respektiert, aber immer einsam. Bei seiner Abiturfeier war auch der damalige stellvertretende Botschafter anwesend, Dérúgo sagte zu ihm, ich zitiere“, sie zog einen Zettel aus ihrem Ordner und las vor: „Die Deutschen mag ich nicht, ich bin froh, wenn ich das Land verlassen kann.“ Sie legte den Zettel weg.
„Nach dem Abitur ging er nach London und begann dort sein Studium. Zu den ungeliebten Deutschen gesellte sich bald der hässliche Engländer. In Deutschland hatte er Rassismus allgegenwärtig gespürt, in England erlebte er ihn am eigenen Leib, ein paar betrunkene Engländer haben ihn verprügelt. Er hat dann sein Betriebs- und Volkswirtschaftsstudium auf Wunsch seines Vaters in Deutschland fortgesetzt.“
„Hat er Laster, schlechte Angewohnheiten?“, fragte Deng.
Mai Song nickte: „Als Student hat er seine Einsamkeit durch Luxus kompensiert, Geld spielte für ihn keine Rolle. Er musste nur nach außen hin, in seinem direkten Umfeld, sein bescheidenes Image aufrechterhalten. Er flüchtete Wochenende für Wochenende in die Anonymität europäischer Großstädte, wohnte in Luxushotels, aß in den teuersten Restaurants, leistete sich die schönsten Frauen und die teuersten Autos. Ab Montag war er dann wieder der bescheidene Student aus einem aufstrebenden Entwicklungsland. Die Gier, sich Dinge zu leisten, die andere sich nicht leisten können, scheint mir eine seiner größten Schwächen zu sein.“
„Wie reagierte der alte Feng auf dieses Verhalten?“
„Er nahm die Eskapaden seines Sohnes zu Beginn schweigend hin, ließ ihn aber, alleine schon zu seinem Schutz, heimlich überwachen. Ein Jahr bevor Dérúgo die Universität abschloss, kam es in einem Hyatt-Hotel in London zu einem Zwischenfall mit einer Prostituierten. Er hat die Frau unter dem Deckmantel gewisser sexueller Vorlieben stundenlang erniedrigt und ihr am Ende den Lohn verweigert. Vermutlich rechnete er damit, dass sie das Weite suchen würde. Sie hat jedoch das halbe Hotel zusammengeschrien und ihn wegen Vergewaltigung angezeigt.“
„Wurde er verhaftet?“ Deng kannte die Antwort, wollte Mai
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