Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
unlängst gesteckt, dass sein neuer Chef versuchen würde, ihn wegzuloben. Sollte Kollatz nur machen, seinen Job und seine Pension hatte er sicher, Existenzängste hatte er keine mehr. Die Ängste, die er mit sich herumtrug, waren auch Last genug.
„Halb sechs“, murmelte er, als er die Amsel hörte, die schon seit Tagen jeden Morgen pünktlich um diese Zeit anfing zu singen. Ein Zeichen dafür, dass der Frühling endlich den Winter ablöste – und dafür, dass es Zeit für den ersten Kaffee des Tages war.
Die Kaffeemaschine hatten ihm seine Kameraden zu seiner offiziellen Entlassung geschenkt. Die Maschine hatte ein eigenes Mahlwerk, so war der Kaffee richtig frisch. Das Mahlwerk brummte, dann strömte die dampfende braune Flüssigkeit in die Kaffeetasse, oben bildete sich ockerbrauner Schaum, so wie er es mochte. Die Maschine war gerade fertig, als sich die Küchentür öffnete.
„Guten Morgen, Jakob. Wie hast du die Nacht geschlafen?“, sagte Elisabeth.
„Das Übliche, hab ich dich geweckt? Willst du auch einen Kaffee?“, fragte er.
Er musterte seine Frau, die noch recht verschlafen aussah und sich an den Küchentisch setzte.
„Ja, gerne. Ich hab dich gehört, so um halb drei. Bin dann aber wieder eingeschlafen. War‘s schlimm?“
Er wandte ihr den Rücken zu und zuckte mit den Schultern.
„Ging so, Albtraum eben. Ist gut, dass wir getrennt schlafen.“
Sie waren jetzt schon über zwanzig Jahre zusammen. Sie war erst achtzehn gewesen, als sie mit Max schwanger wurde. Für die streng katholische und nicht wirklich aufgeklärte Elisabeth war das eine Katastrophe gewesen.
Sie hatten sofort geheiratet, er hatte sich als Zeitsoldat zwölf Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet, wurde dann Berufssoldat und sorgte für die finanzielle Sicherheit der kleinen Familie. Anderthalb Jahre nach Max war Elisabeth zum zweiten Mal schwanger, mit Vera.
Seine Karriere als Soldat hatte ihrer Beziehung nicht gutgetan. Er war ständig weg, wechselte oft den Standort. Sie zog nie mit und hielt an ihrem Heimatort fest. Sie wollte kein Nomadenleben führen, wie sie es nannte. Für sie und die Kinder war es wohl die richtige Entscheidung gewesen. Früher hatte er das anders gesehen, heute wusste er, dass sie recht hatte. Anders als viele seiner Kameraden hatte er mit seiner Familie, den Freunden und Bekannten ein stabiles Umfeld.
Elisabeth, seine Frau – seine Geliebte? Ihre Ehe war mehr eine Freundschaft, eine Zweckgemeinschaft, die gut funktionierte. Im Bett lief schon seit Jahren nichts mehr. Sie schien es nicht zu vermissen, er schob es auf ihre Erziehung, Elisabeth hatte von klein auf gelernt, dass der eigene Körper schmutzig und Sex eine Sünde war. Er war hin- und hergerissen, hatte seine sexuellen Bedürfnisse erst unterdrückt und dann immer mehr vergessen. Aber glücklich war er damit nicht.
„Was hast du heute vor?“, fragte er sie.
„Ich muss halb acht für eine Besprechung im Pfarrhaus sein. Wir planen einen betreuten Ausflug für das Altersheim und einen Gastvortrag zum Thema Fluch und Segen der pränatalen Diagnostik – Wenn das Kind die falsche DNA hat . Es war der einzige Termin, an dem alle an der Besprechung teilnehmen können.“
Sie engagierte sich in der katholischen Gemeinde, der Glaube gab ihr Kraft. Als er nach Afghanistan schwer verletzt im Krankenhaus lag, hatte sie ihm erzählt, dass sie jeden Abend für ihn gebetet hatte, wenn er im Einsatz war. Das hatte ihn damals gerührt.
„Die falsche DNA?“, fragte er nach.
„Wenn das Kind behindert ist, zum Beispiel Trisomie 21 oder eine Erbkrankheit hat oder das falsche Geschlecht. Es geht um ethische Fragen, was darf man, was sollte man wissen und was macht man mit diesem Wissen. Wie weit darf die Forschung gehen und so weiter. Und du, was gibt es bei dir?“
„Routine, ich fahre nachher ins Büro. Am Vormittag hab ich einen Termin. Nichts Spezielles, und anschließend noch was aus dem Kosovo, das war es dann auch schon.“
„Ein neuer Fall?“
„Der Termin? Das ist eine alte Sache. Eigentlich schon abgeschlossen. Es kommt ja nicht mehr viel von der Bundeswehr. Sie setzen mich auch für andere Fälle ein, das wird bei dieser Kosovo-Geschichte wohl so sein.“
„Ist doch gut, dass du auch mal was anderes bekommst, oder nicht?“
„Na ja, was heißt gut. Ich liefere nur zu und sitze ständig am Computer, du weißt, dass ich darin nicht unbedingt der Held bin. Die eigentliche Ermittlungsarbeit machen die anderen. Für einen
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