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Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Herzog
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und kirchlichen Ehrungen zum 500. Geburtstag des Reformators, der bekanntlich kein Kostverächter war, erfolgte. Das Protokollbild im Neuen Deutschland zeigte den Chef neben den Bischöfen hinter einem eingedeckten Tisch stehend und redend. Und auf dieser Tafel waren unschwer die Flaschen mit brauner und heller Flüssigkeit auszumachen. Die Unmutsbekundung der Kirchenleute, es Protest zu nennen wäre wohl ein wenig überzogen, führte dazu, dass bei der späteren Verwendung dieser Aufnahme die Schnapsflaschen herausretuschiert wurden, so beispielsweise in einer Broschüre mit allen Reden, die auf jener Zusammenkunft gehalten worden waren.
    Der Chef achtete sehr auf seine Gesundheit. Als Beleg dafür ließ sich selbst die beiläufige Bemerkung von Egon Krenz anführen, der Generalsekretär habe sich nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl 1986
    einen Geigerzähler besorgen lassen, weil er offenkundig den verharmlosenden Meldungen aus der Sowjetunion nicht glaubte und sich in der Schorfheide bezüglich der Radioaktivität selbst eine Meinung bilden wollte. Doch da war ich schon nicht mehr in seinen Diensten.
    Wie wurde ich Kellner?
    Das ist eine ziemlich lange Geschichte. Aber weil ein Buch – anders etwa als eine Talkshow – es erlaubt, ohne Widerspruch eines Moderators, der mit Blick auf die Uhr und wegen der gähnenden Münder der anderen Gäste einem ins Wort fällt, einen Satz zu Ende bringen zu können, darf ich ein wenig ausholen. Die Leserin und der Leser sehen es mir gewiss nach.
    Ich stamme aus sehr bescheidenen Verhältnissen. Wir waren sechs Kinder. Ich war das dritte und kam in einer Kleinstadt unweit von Chemnitz zur Welt. Es war der 15. September 1943, und es war Krieg. Mein Vater vom Jahrgang 1920, ein gelernter Buchhändler aus Leipzig, trug Uniform: Er arbeitete als Fahrdienstleiter der Deutschen Reichsbahn im Bahnhof von Glauchau. Das trug ihm eine, wenngleich kurze Kriegsgefangenschaft bei den Amerikanern ein.
    Wir lebten in einer Dienstwohnung auf dem Bahnhofsgelände und auf sehr engem Raum. Ich musste mir das Bett mit Gerhard teilen, der zwei Jahre älter war als ich. Wolfgang, unser großer Bruder und 1940 geboren, lebte aus eben diesem Grunde bei der Großmutter in Chemnitz-Lichtenstein, wo auch ich zur Welt gekommen war. Dem Fluch (oder Segen) jener Jahre und gemäß unseren sozialen Verhältnissen wurden es immer mehr Herzöge. Wenige Wochen vor Kriegsende wurde unsere Mutter von Rainer entbunden, 1951 folgte Ingrid und im Jahr darauf Margot.
    Unsere Kleidung glich einem Wanderpokal, sie wurde stets weitergereicht. Das ging so lange, bis sie nicht mehr zu flicken war und auseinanderfiel. Vater ging zur Wismut, weil dort sehr gut gezahlt wurde. Die sowjetische, später sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft förderte an verschiedenen Orten in Sachsen und Thüringen Uranerz. Das benötigte die Sowjetunion, um Nuklearwaffen produzieren zu können. Das auf diese Weise mit enormen Anstrengungen auch ihrer Verbündeten hergestellte annähernde militärstrategische Gleichgewicht zwischen den beiden Großmächten sorgte, auch wenn es ein Gleichgewicht des Schreckens war, allein durch die Androhung der wechselseitigen Vernichtung für die Verhinderung eines großen Krieges. Deshalb sprachen die Wismutkumpel auch von »Friedenserz«, das sie aus dem Berg holten. Sie zahlten oft mit ihrer Gesundheit. Unser Vater beispielsweise wurde keine siebzig.
    Er arbeitete als Fördermaschinist im Drei-Schicht-System übertage, doch der fortgesetzte Luftzug aus der Tiefe war mindestens so radioaktiv wie der unten im Schacht. Die Betreiber der Wismut wussten um die gefährlichen Folgen, doch die Arbeit musste getan werden wie später andere – wir erinnern uns der Männer auf dem Dach des explodierten AKW in Tschernobyl, die im Sekundentakt das verstrahlte Material in den Krater schaufelten. Das war nicht fahrlässig, sondern erforderlich. Schließlich tobte der Kalte Krieg.
    Auch wenn die Wismut-Kumpel überdurchschnittlich verdienten und viele Vergünstigungen erhielten, war dies nur eine schmale Entschädigung für ihren Einsatz. Erst später, als Vater Ende der 80er Jahre auf dem Totenbett lag, wurde uns bewusst, dass er sich praktisch für uns, für seine Familie, aufgeopfert hatte. Ja, auch für den Weltfrieden, natürlich. Aber persönlicher Schmerz ist immer konkret, dagegen hilft kein Pathos.
    Aufgrund der weitaus günstigeren Lebensmittelkarte und der Möglichkeit, in einem in Chemnitz für Angehörige

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