Honecker privat
zugeordnet und wurde auch aus dessen Etat finanziert. Das Jagdschloss Hubertusstock unterstand der NVA, das Objekt Wildfang in der Schorfheide galt als privat. Egal wo: Ich stand immer in Wandlitz auf Abruf und wartete auf einen Anruf. Dann setzte ich mich dorthin in Bewegung, wo mich Honecker brauchte. In der Regel meldete er sich morgens 9 Uhr telefonisch im Klubhaus und bestellte das Mittagessen für sich und seine Begleitung. Am Wochenende, wenn seine Frau, bisweilen auch die Tochter, hinzukam, waren es einige Portionen mehr.
Täglich kam auch die Masseuse, um ihn durchzukneten, und zweimal in der Woche erschien Prof. Wittbrodt, seine Leibärztin, zur Konsultation. Zumindest war das in den Urlaubswochen so, in denen ich täglich an seiner Seite war. Vermutlich absolvierte er dieses Gesundheitsprogramm auch im Rest des Jahres. Ich hielt und halte das für nichts Besonderes. Er ging schließlich auf die 70 zu und hatte noch immer eine 80-Stunden-Arbeitswoche.
Die einzig wirkliche Entspannung fand er im Wald bei der Jagd, sofern man dies der aktiven Erholung zurechnet. Aber wenn Mittag und andere um ihn herumscharwenzelten, konnte dies nicht sehr erholsam sein. Anfänglich war Honecker nur mit seinem Förster auf der Pirsch, das änderte sich irgendwann. Mittag vermochte sich mit kleinen
(oder größeren) Geschenken in seine Gunst zu drängen, zumindest gewann ich diesen Eindruck. Mal brachte er ein neues Fernglas für ihn mit, mal eine Jagdwaffe. Die Freizeitobjekte wurden ständig renoviert und mit neuer Technik ausgestattet, Fernseher aus dem Westen und Videorekorder und anderer Schnickschnack. Einmal stand in der Küche eine Geschirrspülmaschine, doch da ich mich mit so etwas nicht auskannte, wusch ich das Geschirr ab, wie ich es immer tat. Margot Honecker sah das, lachte, und erklärte mir, welche Knöpfe ich an der Mittagschen Maschine drücken musste, um sie in Gang zu setzen.
Wenn Erich Honecker in Begleitung auf Jagd war, zeigte er sich bei der Bewirtung stets großzügig. Ich hatte Thüringer Wurst aufzufahren, verschiedene Käsesorten, den obligatorischen Kasslerrücken mit Sauerkraut. Alkohol gab es wenig, meist nur Bier. Da er stets noch politische Themen behandelte, durfte ich mich beizeiten zurückziehen und konnte erst am nächsten Tag die Reste des Gelages beseitigen, sofern dies nicht schon von der Begleitmannschaft erledigt worden war.
Das Gästehaus am Döllnsee bot mehr Möglichkeiten zu aktiver Betätigung, doch die Schwimmhalle wurde von ihm so wenig genutzt wie die Ruderboote, die neben dem Badehaus vertäut waren. Nur das Motorboot fuhr er gelegentlich – sehr zum Leidwesen seiner am Ufer wartenden Personenschützer, denn er kannte sich mit der Bedienung des Fahrzeuges so wenig aus wie mit den Autos, die er, wenn auch selten, auf der Jagd fuhr. Er hatte im Übrigen keine Fahrerlaubnis. Einmal roch es sehr verdächtig nach verbranntem Gummi. Wie sich zeigte, hatte er gleichzeitig Gaspedal und Bremse getreten.
Zudem wurde er rasch ungeduldig und hektisch, wenn etwas nicht so funktionierte, wie er es wünschte. Erich Honecker besaß kein technisches Grundverständnis, und es war unter seiner Würde, sich erklären zu lassen, was eine Zündkerze oder ein Keilriemen war und wozu sie dienten. Das war für ihn so uninteressant wie etwa eine Rechnung über die Kosten eines Wochenendes im Gästehaus am Döllnsee oder die Speisen, die er orderte. Danach hat er sich nie erkundigt. Und später auch nie bezahlt.
Das unter Ulbricht errichtete Konferenzgebäude in Dölln, in welchem gelegentlich der Staatsrat zusammenkam, weil der Vorsitzende nicht mehr mit dem Auto nach Berlin fahren konnte, hat Honecker nicht ein einziges Mal betreten.
Honecker interessierte sich zwar als Zuschauer für den Sport, aber selbst mied er ihn. Da hielt er es mit Churchill: no sports. Gut, auf die Zigarre und den Whiskey verzichtete er auch. Sein einziger Sport waren ausgiebige Waldspaziergänge, denn im Sommer herrschte Schonzeit, da gab’s nichts zu jagen. Ab und an sprang er in den Döllnsee, das aber war schon alles an Bewegung. Nach dem Frühstück knetete ihn die Masseuse Erika Steinhorst eine halbe Stunde durch, dann schaute die Ärztin nach ihm. (Auch in Wandlitz ließ er sich, bevor er ins Auto nach Berlin stieg, täglich massieren.) Mittags speiste er mit seiner Frau. Margot Honecker bevorzugte vegetarische Kost, aber schloss sich auch seinen Wünschen an: das waren Kassler, Bouletten, Bratwurst und
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