Honeymoon
schließlich allerhand zu tun – eine Serienmörderin auf freiem Fuß, die wir unbedingt schnappen mussten. Leider gaben die Berichte von der Front kaum Anlass zu Optimismus. Nora schien wie vom Erdboden verschluckt. »Was melden unsere Leute auf den Cayman-Inseln?«, fragte ich.
»Nichts«, antwortete Susan. »Die Karibik, ganz Briarcliff Manor, ihre Wohnung in der Stadt und sämtliche Orte zwischen diesen Punkten – sie ist nirgendwo gesichtet worden.«
»Verflucht, wo steckt sie nur?«
»Das ist die Vierundsechzigtausend-Dollar-Frage.« Susan sah auf einen Zettel herab, der auf ihrem Schreibtisch lag. Darauf war die Summe notiert, die auf Noras Konto eingefroren war. »Oder vielmehr die Achtzehn-Millionen-vierhundertsechsundzwanzigtausend-Dollar-Frage.«
Es war eine Schwindel erregende Zahl.
»Da fällt mir was ein«, sagte ich. »Was ist denn mit dem Steueranwalt, diesem Keppler?«
»Du meinst den Typen, dem du ein bisschen Feuer unterm Hintern gemacht hast?«
»Ich bevorzuge den Ausdruck ›gut zugeredet‹.«
»Wie dem auch sei, Nora hat sich nicht bei ihm gemeldet«
»Vielleicht könnte ich dem Burschen noch einen Besuch abstatten und –«
Sie unterbrach mich. »Du bist an deinen Schreibtisch gekettet, hast du das schon vergessen? Wer weiß, was noch alles passiert.« Sie brachte ein klitzekleines Lächeln zustande. »Es hat ja auch seine guten Seiten, wenn du vom Außendienst suspendiert bist. Dann hast du vielleicht mal mehr Zeit für deine Jungs.«
»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Das kommt drauf an, ob ihre Mutter mich lässt.«
Susan wandte sich ab und starrte wieder aus dem Fenster. »Wenn du nur als Ehemann genauso gut wärst wie als Vater, dann wären wir heute noch zusammen.«
107
Ich hatte noch nie besonders viel Sitzfleisch. Jetzt war ich auf unbestimmte Zeit zum Stillsitzen verdonnert. Ich war erst zwei Tage an meinen Schreibtisch »gekettet«, und schon stand ich kurz vor einem Koller. Es gab Papierkram zu erledigen, doch ich erledigte ihn nicht. Ich konnte nur aus dem Bürofenster auf die düsteren Straßenfluchten von New York hinausstarren. Und grübeln.
Wo zum Teufel hat sie sich versteckt?
Die einlaufenden Zwischenberichte waren ebenso knapp wie unerfreulich. Nirgendwo eine Spur von Nora. Keinerlei Hinweise auf ihren Aufenthaltsort. Wie konnte sie einfach so verschwinden?
Der ewig gleiche Ablauf war zum Verrücktwerden. Das Telefon in meinem Büro klingelte, ich hörte mir den Bericht an, dann knallte ich den Hörer auf die Gabel. Der Frust nagte an mir. Der Warnhinweis auf meinem Rücken war nicht zu übersehen: Vorsicht! Inhalt steht unter enormem Druck!
Wieder klingelte das Telefon. Ich hob ab und machte mich auf die x-te Wiederholung gefasst. »O'Hara«, meldete ich mich.
Ich hörte nichts.
»Hallo?«
Immer noch nichts.
»Ist da jemand?«
»Du hast mir gefehlt«, sagte sie leise.
Ich fuhr hoch wie von der Tarantel gestochen.
»Na, willst du denn gar nichts sagen?«, fragte Nora. »Hast du mich denn nicht vermisst? Nicht mal den Sex? Nicht einmal den?«
Ich wollte ihr gerade antworten – hatte schon den Mund geöffnet, um eine Flut wüster Beschimpfungen loszulassen, als ich mich plötzlich bremste. Ich musste Nora unbedingt hinhalten, damit sie nicht auflegte.
Ich drückte den Aufnahmeknopf an meinem Telefon und dann den Knopf, der die Fangschaltung auslöste. Einmal tief durchatmen. »Wie geht es dir, Nora?«
Sie lachte. »Ach, komm schon, du könntest mich wenigstens anschreien. Der Mann, den ich gekannt habe, war nicht so zurückhaltend.«
»Du meinst Craig Reynolds?«
»Du willst dich doch nicht etwa hinter dem Versicherungsmenschen verstecken?«
»Der war nicht echt. Nichts von alledem war echt.«
»Das hättest du wohl gerne. Im Moment ist nur sicher, dass du dich nicht entscheiden kannst. Du weißt nicht, ob du mich vögeln oder töten willst.«
»
Die
Entscheidung fällt mir nicht schwer«, sagte ich.
»Da spricht dein verletztes Ego«, sagte sie. »Apropos verletzt, wie geht es dir eigentlich? Als ich dich zuletzt gesehen habe, hast du einen ziemlich mitgenommenen Eindruck gemacht«
»Das hatte ich ja wohl dir zu verdanken.«
»Eins muss ich dir sagen, O'Hara. Es tut weh zu wissen, dass wir uns nie wieder sehen werden.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, stieß ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich werde dich finden, darauf kannst du dich verlassen.«
»Das ist eine komische Redensart – sich auf jemanden verlassen, nicht
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