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Honeymoon

Titel: Honeymoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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lassen. Zu sämtlichen Entscheidungen, die ich getroffen oder auch nicht getroffen hatte. Ganz besonders zu denen, die ich nicht getroffen hatte. Der Ausschuss kannte keine Gnade. Sie spielten mit mir Topfschlagen, wobei ich der Topf war und jeder, der Lust hatte, mir eins mit dem Kochlöffel überbraten durfte.
    Als sie fertig waren, dankte Walsh dem Ausschuss und erklärte die Anhörung für beendet. Ich nahm an, ich sei nun ebenfalls entlassen. So kann man sich täuschen.
105
    Die übrigen Mitglieder des Disziplinarausschusses hatten den Raum verlassen, zurück blieben nur wir drei: Walsh,
ich
und der Kassettenrekorder. Es war sehr still. Zwanzig, vielleicht dreißig Sekunden lang starrte er mich einfach nur an.
    »Sollte ich irgendetwas sagen?«, fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Sollten Sie vielleicht irgendetwas sagen?«
    »Wahrscheinlich nicht. Aber ich werde Ihnen die Frage trotzdem stellen.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme eng vor der Brust. Seine Augen bohrten sich in meine. »Ich werde einen Anruf von ganz oben bekommen, nicht wahr?«
    Der Mann wurde mir langsam unheimlich. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Nennen wir es mal eine Vorahnung«, sagte er und nickte bedächtig. »Sie sind viel zu schlau, um sich so blöd anzustellen«
    »Ich habe schon schlechtere Komplimente bekommen.«
    Er ignorierte den Sarkasmus. »Sie sind sozusagen in flagranti ertappt worden, aber ich habe trotzdem das unbestimmte Gefühl, dass Sie sich keine Blöße geben werden.«
    Ich antwortete nicht sofort. Ich wollte abwarten, ob er weiterreden und eventuell die Quelle seiner »Vorahnung« verraten würde. Er tat mir den Gefallen nicht.
    »Ich bin schwer beeindruckt, Frank.«
    »Müssen Sie nicht sein«, meinte er. »Ihr Gesicht spricht Bände.«
    »Erinnern Sie mich daran, dass ich mit Ihnen besser nicht pokern sollte.«
    »Ich kann immer noch dafür sorgen, dass es für Sie verdammt ungemütlich wird.«
    »Das ist mir durchaus bewusst.«
    »Das ändert alles nichts an den Tatsachen. Das war ein ziemlicher Hammer, den Sie da gebracht haben.«
    »Auch das ist mir sehr wohl bewusst.«
    Er klappte seine Aktenmappe zu. »Sie können gehen.«
    Ich stand auf.
    »Ach, eins noch, O'Hara.«
    »Was denn?«, fragte ich.
    »Ich weiß Bescheid über Ihren anderen Auftrag. Ich habe es von Anfang an gewusst. Ich bin immer über alles informiert. Ich weiß, dass Sie der Tourist sind.«
106
    Als ich wenige Minuten später Susans Büro betrat, stand sie am Fenster und blickte hinaus in den Nieselregen. Es war ein ungemütlicher, wolkenverhangener Nachmittag. Dass sie mir den Rücken zuwandte, war von nicht zu übersehender Symbolik.
    »Wie schlimm war es?«, fragte sie, ohne sich umzudrehen.
    »Es war wirklich übel.«
    »Auf einer Skala von eins bis zehn?«
    »So achtzehn, neunzehn vielleicht.«
    »Nein, im Ernst.«
    »Neun, würde ich sagen. Ich erfahre erst in einer Woche Näheres.«
    »Und bis dahin?«
    »Ketten sie meine Beine am Schreibtisch an.«
    »Sie sollten lieber was anderes anketten.« »Nur zu deiner Information, das ist jetzt schon der zweite Peniswitz, den ich heute zu hören kriege.«
    »Was hast du denn erwartet?«
    »Ich weiß nicht genau, aber es wäre ganz nett, wenn ich nicht dauernd mit deinem Rücken reden müsste.«
    Susan drehte sich um. Sie war hart im Nehmen – eine Frau, die so leicht nichts aus der Fassung bringen konnte, aber ihr Gesichtsausdruck in diesem Moment hätte das niemals vermuten lassen. Die Besorgnis und die Enttäuschung waren nicht zu übersehen.
    »Du hast mich schlecht aussehen lassen, John.«
    »Ich weiß«, entgegnete ich schnell. Ein bisschen zu schnell.
    »Nein, ich meine, so richtig schlecht.«
    Ich betrachtete eingehend meine Schuhspitzen. »Tut mir Leid«, sagte ich leise.
    »Herrgott, du hast doch gewusst, dass es schon ein Verstoß gegen die Vorschriften war, die Sache über meine Abteilung laufen zu lassen.«
    Ich erwiderte nichts. Ich kannte Susan gut genug, um zu wissen, dass sie sich die Sache von der Seele zu reden versuchte. Die ganze Wut, den Frust, die Enttäuschung. Ich schätzte, dass sie noch mindestens einen tüchtigen Urschrei loswerden musste, ehe sie wieder zur Tagesordnung übergehen konnte.
    »Verdammte Scheiße, John, wie konntest du nur so unglaublich blöd sein?!«
    Da war er auch schon raus.
    Als die Fundamente des Gebäudes endlich aufhörten zu beben, war sie wieder die Ruhe selbst, stoisch und unerschütterlich. Es gab

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