Honigsüßer Tod
war
Mittwoch.
Sprach das doch für den Extra-Workshop zum Ferienbeginn?
Er lief ins Obergeschoss, Burgbacher hinterher. Es würde wohl noch
ein paar Minuten dauern, bis er seinen Einsatz bekam.
Geordnet hatte Hubertus den begehbaren Kleiderschrank im
Schlafzimmer in letzter Zeit selten vorgefunden. Meist spiegelte dessen Zustand
Elkes psychische Konstitution. War er aufgeräumt, war sie es auch.
Von Elkes Kleidung war, grob geschätzt, noch die Hälfte da. Und die
lag ungeordnet verteilt in den Regalen. Zwei Koffer fehlten.
Auf dem Doppelbett, das Hubertus seit ein paar Wochen Elke
überlassen hatte – er hatte im Keller geschlafen –, lag ein Brief.
»Lieber Hubertus«, begann Hummel laut vorzulesen, ohne so richtig
wahrzunehmen, dass Burgbacher bei ihm war. Der hatte sich schweigend auf die
unbezogene Bettseite gesetzt. »Ich muss in aller Ruhe über unsere Beziehung
nachdenken. Wer bin ich? Wer bist du? Das kann ich jedoch nur mit zumindest
etwas Abstand tun … Versuche auch du, WIRKLICH alleine zu sein und dir über deine Gefühle klar zu werden … Vielleicht helfen
dir ja folgende Ratgeber.«
Hummel überflog die empfohlenen Titel: »Karmische Beziehungen 1+2« … »Chakra. Energie und
Harmonie durch das Atmen« … »Liebe dich selbst, und es ist egal, wen du heiratest«.
Bis dato hatte er den Brief mit einigen Auslassungen noch regungslos
vorgelesen.
Die nächste Passage begann mit den Worten: »Ich bin weg und doch
nahe bei dir. Ich ziehe zunächst einmal zu den …«
Er stockte und riss die Augen auf.
»Nein, Elke, nicht das. Das kannst du mir nicht antun!«
Seine Stimme wurde lauter, wandelte sich von einem Flüstern zu einem
zornigen Aufschrei:
»Zieh doch zu deiner Mutter, von mir aus zu einer deiner
Yoga-Freundinnen, ja sogar zu deinem Yoga-Lehrer oder zu Bin Laden persönlich.
Aber bitte nicht zu diesen nervtötenden, hyperkorrekten, sich immerzu
einmischenden Pergel-Bülows!«
»Ausziehen, um nur ein paar Meter weiter bei den Nachbarn
einzuziehen? Also wirklich, Elke! Da könntest du aber die Hausarbeit doch ganz
gut nebenher bewerkstelligen«, versuchte Burgbacher einen Scherz. »Wenn ich da
an Alberto denke: Ständig musste ich seine Sachen wegräumen, für ihn sorgen,
sogar das Essen für ihn kochen … und dann das.«
Hubertus zerknüllte das Papier mit drei, vier kraftvollen Bewegungen
seiner großen Hände, schleuderte es auf den Boden und stampfte mit seinen
ungefähr 104 Kilogramm fluchend darauf herum.
Edelbert verfolgte fasziniert den Veitstanz seines Freundes. Er
mochte Männer mit Emotionen. Seine Schauspieler mussten genauso sein. Alles
hinter sich lassen, sich in eine andere Sphäre versetzen können. Sehr gut! Wie
Alberto.
Nach ein paar Sekunden war das Schauspiel jedoch bereits vorbei.
Hubertus saß jetzt zusammengesunken auf dem Holzboden und machte
sich wortlos daran, den Brief wieder zu glätten.
Schnell an etwas anderes denken – der nächste Wutanfall bahnte sich
schon an. Ganz gut, dass Elke das nicht sah.
»Was war noch mal der Grund für deinen Besuch?«, fragte Hummel
beiläufig.
»Bist du konzentriert? Bist du wirklich aufnahmefähig?« Endlich war
Burgbacher an der Reihe.
»Ja, ich bin in Ordnung. Ich habe mich wieder beruhigt.«
»Na gut«, sagte Burgbacher und baute sich vor Hummel auf, als wolle
er einen Prolog halten.
»Ich …« Schon versagte ihm die Stimme. Neuer Anlauf. »Ich wurde auch
gerade verlassen.« Das Wasser, das sich in Burgbachers Tränensäcken staute, war
alles andere als Theater. »Alberto. Ich kann es immer noch nicht fassen. Und
damit nicht genug. Er hat seine Hauptrolle in unserem Stück, das wir auf der
Landesgartenschau aufführen wollten, an den Nagel gehängt. Er sagt, er könne
das jetzt nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren.«
»Tut mir wirklich leid, Edelbert«, sagte Hummel, war mit seinen
Gedanken aber immer noch bei Elke und den Nachbarn. Von dort aus gingen sie zur
Landesgartenschau. Ein riesiges Prestigeprojekt, für das die halbe Stadt
umgegraben worden war. Übermorgen hatte er mit Elke zu einem Konzert dorthin
gehen wollen. Ob daraus noch was würde?
Burgbacher bemerkte die Unaufmerksamkeit seines Freundes. »Du kannst
mich ja wenigstens fragen, warum er mich verlassen hat«, bemerkte er beleidigt.
»Ach«, entschuldigte sich Edelbert. »Warum ist Schluss?« Eigentlich
wusste Hummel nichts über Alberto. Er hatte ihn ein paar Mal in seiner
Stammkneipe »Bistro« gesehen, war mit ihm und
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