Honky Tonk Pirates - Zurück in der Hölle - Band 3
Trümmer des Bettes, den zerhackten Waschtisch und den gevierteilten Schrank, stiegen durch das Chaos, als wär es überhaupt nicht vorhanden und begrüßten sie freundlich:
»Wie geht es unserer Prinzessin heute?«
»Sie hat ja geschlafen wie ein Engel.«
»Und sie sieht so zufrieden aus.«
»So schön und so glücklich.«
Hannah betastete ihrer verschwollenen Augen und sah fassungslos zu, wie weitere Diener herbeieilten und die Überbleibsel ihres Amoklaufs beseitigten, als wär es das Selbstverständlichste der Welt. Ihre Wut und Verzweiflung wurde einfach nicht wahrgenommen und gleichzeitig hörte sie das Süßholzgeraspel der Mädchen.
»So schön und so glücklich.«
»Aber wieso sollte es Euch auch anders gehen?«
»An solch einem Tag.«
»Am Tag Eurer Träume.«
»Und das ist das Kleid, in dem Ihr diesen Tag beginnt. Das Ihr tragen sollt, wenn Ihr Euren Vater begrüßt. Oh, wie wundervoll muss das sein! Nach so vielen schrecklich dreckigen Jahren.«
Hannahs Blick wanderte zur Tür, durch die vier Diener ein Kleid hereintrugen, das so üppig und überladen war, dass sie im Türstock stecken blieben. Es war mit echten Rosen bestickt und die öffneten gerade jetzt ihre Blüten. Auf den zarten Blättern perlte noch Tau, doch als sie sich den genauer anschaute, erkannte sie, dass das Funkeln in Wahrheit von einem Meer aus Edelsteinen herrührte.
Hannah stockte der Atem. Sie war aus dem Bett gehüpft, stand vor dem Kleid und konnte gar nicht erwarten, es anzuziehen.
»Wo ist der Hut? Welche Schuhe trage ich dazu, und wie werden meine …?«
»Haare frisiert« war das, was sie sagen wollte, doch in diesem Moment trugen drei Dienerinnen eine Perücke herein. Die türmte sich zu einem Berg aus schneeweißen Wolken und in dem zarten Gespinst ihrer Locken tanzten Engel und Feen.
»Gefällt es euch?«, flüsterte eines der Mädchen und eine andere zog Hannah das zerrissene Nachthemd aus.
»Sonne und Blumen werden sich vor euch verneigen.«
Sie warfen der sprachlosen Piratin das Unterkleid über den Kopf.
»Vor Euch und Eurem Vater, dem König.«
»Und vor Prinz Gagga, Eurem Gemahl!«
Sie schnürten das Mieder und Hannah schrie auf. »Mein Vater und Gagga?« Sie fuhr sich erschrocken durch ihre Locken. »Ich glaube, das will ich nicht. Ich glaube, ich …«
Da erklangen die Posaunen der Boten.
»Macht Platz für den König und den Marquis von Marseille.« Die Boten liefen schon durch das Tor in die Festung und von da auf den Platz zwischen dem Schloss und dem Dom.
»Nein, bitte, ich will nicht!«, flehte Honky Tonk Hannah, doch die fünf Dienerinnen schnürten das Mieder als Antwort nur fester. So fest, dass sie kaum noch Luft bekam. Ihr wurde schwindelig.
»Ich bitte euch, bitte!«, flehte die junge Piratin, doch die Mädchen lächelten sanft.
»Aber wieso denn? Es wird alles gut. Euer Vater, der König, ist doch gleich da.«
»Macht Platz für den König!«, rief der Hauptmann der Preußen und rannte mit seinen berittenen Franzosen voraus.
Die folgten im Trab. Vier mal drei Reiter vor dem Marquis und dem König und vier mal drei Reiter dahinter. Die Nachhut bildeten wieder die Preußen und so stürmte der Tross nur zwei Häuserblocks von der Festung entfernt durch die enge Gasse. »Macht Platz für den König! Den König von Frankreich!«, verlangte der Hauptmann und Moses Kahiki, der das hörte und sah, kaute nervös an den Fingernägeln.
Er lag neben Will zwischen Sarah und Rachel auf einem Dach, das sich nur 50 Meter vor den Soldaten wie ein Torbogen über die Gasse spannte.
»Das ist doch unmöglich. Verflucht! Die bringen uns um. Wie wollt ihr uns vor so vielen Zeugen vertauschen?«
Sein Blick hing am König und an dessen Gesicht. An den eiskalten Augen. Denn obwohl dessen Rock und Perücke engelsweiß strahlten, war er doch zweifelsohne der Herr des Schwarzen Barons.
Moses schaute hilfesuchend zu Will, doch der hatte nur Augen für Gagga. Prinz Gagga, den Deppen. Und der hatte ganz offensichtlich nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Der Neffe des Königs saß doch tatsächlich falsch herum auf dem Pferd, mit dem Rücken zum Kopf, die Hände am Pferdehintern, und hüpfte kichernd im Sattel auf und ab. Der Rock, den er trug, glitzerte lila. Die Hosen strahlten in Perlmutt-grün, die Strümpfe leuchteten gelb und orange, und die Schuhe kringelten sich wie die eines Sultans an ihren Spitzen nach oben.
Aber der Gipfel des Ganzen war die rosa Perücke. Die thronte hochtoupiert auf dem
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