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Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)

Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)

Titel: Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Wolf
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Pass auf, was du dir wünschst, es könnte in Erfüllung gehen
     
    Montagmorgen, 4 Uhr 45. Es ist noch nicht einmal richtig hell, als ich zu Fuß die Adresse erreiche, die auf dem Zettel in meiner Hand steht. Müde verkneife ich mir ein Gähnen. Das frühe Aufstehen liegt mir einfach nicht, da weiß man die Vorzüge des Studentendaseins erst richtig zu schätzen. Aber damit ist es jetzt vorbei, und an meine verpasste Chance darf ich auch nicht mehr dauernd denken. Denn heute fängt ein neuer Lebensabschnitt für mich an – auch wenn ich meine Zukunft bislang nicht als hauptberufliche Reinigungskraft in einem Bürogebäude gesehen habe. Aber da muss ich jetzt durch.
    Ich werfe zur Sicherheit noch einen Blick auf den zerknüllten Zettel in meiner Hand, auf dem ich die Adresse notiert hatte. Hausnummer 35. Gähnend versuche ich, mich auf der nächtlichen Straße zu orientieren. Links von mir erkenne ich die Hausnummer 33, also muss hier rechts … Vor mir streckt sich in der Dunkelheit ein riesiges Gebäude dem Himmel entgegen. Als ich mich dem Eingang nähere, erkenne ich auch die Nummer – es ist eindeutig die 35. Und darunter befindet sich ein Firmenschild. Doch was ich darauf lese, muss ein schlechter Scherz sein! In großen, geschwungenen Lettern steht dort der Name Stunning Looks . Soll ich etwa die Redaktion von Stunning Looks putzen? Dem angesagtesten Frauenmagazin in Deutschland?
    Ich beginne vor Aufregung zu zittern Wie oft hatte ich mich in meinen Träumen genau hier stehen sehen, vor dem Eingang dieses imposanten Gebäudes? Allerdings trug ich darin ein Kostüm von Marc Jacobs, an den Füßen Jimmy Choos und hatte meine Haare zu einem strengen, glänzenden Business-Pferdeschwanz gebunden. Und nun stehe ich hier in einer alten Jeans, einem ausgewaschenen T-Shirt und ausgetretenen Sneakers und habe meine Haare notdürftig im Nacken zusammengeknotet. Auf Styling hatte ich heute großzügig verzichtet, denn sonst hätte ich noch früher aufstehen müssen.
    Während ich ehrfürchtig auf das Firmenschild vor mir starre, wird mir allmählich klar, wie unfair diese Situation ist. Und ich komme mir schrecklich verarscht vor! Denn mein ganzes Leben hatte ich auf eine Karriere als Journalistin hingearbeitet, natürlich mit dem klaren Ziel, Chefredakteurin zu werden, am liebsten bei einem so namhaften Magazin wie der Stunning Looks. Und jetzt stehe ich an ihren Pforten – aber als Putzfrau – und besitze den niedrigsten Rang, den man in solch einem Unternehmen überhaupt haben kann! Mir ist echt nach Heulen zumute. Nur zu gern würde ich diesen einen Morgen ungeschehen machen, an dem alles begann …
    23.
    23 Sekunden benötigt das Blut, um einmal durch den kompletten menschlichen Körper zu zirkulieren. Cäsar wurde mit 23 Messerstichen getötet. Der Mensch hat 23 Bandscheiben. 23 ist eine Primzahl. Außerdem sind 23 Jahre eine verdammt lange Zeit, obwohl sie doch so schnell vorübergeht. Und in genau diesem Moment wurde ich 23 Jahre alt. Na ja, wenn man nach meiner Geburtsurkunde geht, dann hatte ich offiziell erst in einer Dreiviertelstunde Geburtstag. Aber wer bitte schön war schon so kleinkariert? Eben. Außerdem konnte ich keine Dreiviertelstunde mehr warten, denn ich wollte Geschenke, jetzt gleich, am besten sofort!
    Das waren noch Zeiten, als meine Eltern morgens in mein Zimmer geschlichen kamen, meinen Bruder Moritz zur Ruhe ermahnend, um mir dann im Schein der vielen kleinen Kerzen auf Mamas selbstgebackenem Kuchen (natürlich hatte ich am Vorabend schon längst meinen geliebten Schokobananenkuchen gewittert) flüsternd »Happy Birthday« vorzusingen. Und dann durfte ich das Wohnzimmer betreten und noch im Schlafanzug Geschenke auspacken. Doch wo blieb mein Geburtstagskomitee jetzt? Fast hatte ich vergessen, dass ich mittlerweile alleine wohnte. Nur Caruso, mein Ca de Bestiar, ein schwarzer spanischer Schäferhund, den ich aus einem Mallorca-Urlaub mit nach Deutschland gebracht hatte, teilte sich diese vier Wände mit mir, und der würde mir höchstens ein paar schlabbrige Hundeküsse schenken, danach aber wieder genauso frech sein wie sonst. Auf richtige Geschenke musste ich wohl noch ein paar Stunden warten.
    Ich versuchte, mich lautlos aufzusetzen, doch sofort riss Caruso ruckartig den Kopf hoch, entfaltete seine schlanken Gliedmaßen, um sich aus seinem Körbchen zu schälen, und kam dann schwanzwedelnd und aufgeregt hechelnd zu mir herübergestürmt. Seine Rute schlug laut klopfend gegen den

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