Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
dem Kerl aufzuzeichnen.«
Pierre nickte wieder, doch dieses Mal breitete sich in seinem Hinterkopf mehr als nur eine Spur krankhafter Faszination aus. In Saint-Justs Konversationston zeigte sich weder Entsetzen noch sonst ein Hinweis darauf, ob er bei diesem Thema auch nur den leisesten Abscheu empfand. Was er als ›Sitzungen‹ bezeichnete, waren nicht mehr und nicht weniger als grausame Verhöre unter körperlicher und seelischer Folter gewesen. Pierre empfand ein nicht geringes Unbehagen gegenüber dem SyS-Chef und wusste doch gleichzeitig, dass letztendlich er selbst die Verantwortung für alles trug, was Saint-Just oder dessen Schergen anderen Menschen antaten. Er hatte die Legislaturisten gestürzt, und er war der Vorsitzende des Komitees für Öffentliche Sicherheit. Mehr noch, er hatte von Anbeginn gewusst, welche Gräueltaten die Systemsicherheit beging, und er lehnte es rundheraus ab, sich etwas anderes vorzumachen. Das Wissen aber belastete ihn schwer. Manchmal suchte es ihn mit Macht heim … aber Oscar Saint-Just schlief wahrscheinlich jede Nacht sanft wie ein Baby.
Ich brauche ihn , dachte Pierre. Ich kann nicht auf ihn verzichten. Und so schlimm es auch klingt, der Mann ist außerdem mein Freund. Im Gegensatz zu Cordelia tut er nichts aus persönlichen Gründen. Das alles ist für ihn nur seine … seine Aufgabe. Aber das will nichts heißen.
»Ich muss einräumen, dass Trescas Urteilsvermögen sehr … fragwürdig erscheint«, sagte er, ohne seine wahren Gedanken auch nur im Mindesten in seinem Tonfall zu verraten. »Aber deine Entscheidung erscheint mir ebenfalls als … nein, wir wollen ehrlich sein. Ich hatte beschlossen, Parnell nicht zusammen mit den anderen zu liquidieren.«
»Vielleicht. Aber ich habe deinen Vorschlag damals unterstützt, und in Anbetracht dessen, was wir zu jenem Zeitpunkt wussten, halte ich die Entscheidung heute noch für vernünftig. Parnell weiß Dinge, die sonst niemand weiß, besonders über die Volksflotte, aber auch über die innere Dynamik der legislaturistischen Familienbeziehungen. Angesichts der Tatsache, dass die Säuberungen gerade erst begonnen hatten, und eingedenk des Widerstands, der damals in einigen Teilen des Volksflottenoberkommandos noch existierte, wären wir Idioten gewesen, wenn wir all dieses Wissen durch einen Pulserbolzen vernichtet hätten.«
»Damals, ja. Aber das liegt Jahre zurück … und er hat uns nie sehr viel verraten, da konnten Leute wie Tresca so ›überzeugend‹ auftreten, wie sie wollten. Wir hätten an ihn denken und ihn genauso wie andere offene Fälle rechtzeitig schließen sollen, bevor so etwas passieren konnte.«
»Das sagst du im Nachhinein, Rob. Hinterher ist man immer klüger. Natürlich, wenn wir ihn vor zwo oder drei Jahren hätten erschießen lassen, dann wäre das alles nicht geschehen, aber wer hätte denn im Ernst mit einer Massenflucht von Hades gerechnet? Wir hatten ihn in unser sicherstes Gefängnis gesteckt, und dort hätte er eigentlich vor sich hinfaulen sollen, ohne uns jemals wieder Schwierigkeiten zu machen.«
»Und das tut er nun ganz gewiss nicht«, bemerkte Pierre trocken.
»Nein, das wohl nicht«, räumte Saint-Just ein.
Der Minister für Systemsicherheit zeigte löbliche Zurückhaltung, wenn man bedachte, welchen Schaden die Aussagen der Flüchtlinge von Hades in der Solaren Liga anrichteten … und noch schlimmer wirkten sich die HD-Aufnahmen aus, die Harrington aus den angeblich zugriffssicheren Datenbanken von Camp Charon entwendet hatte.
Übel genug, dass die Lüge der Öffentlichen Information über Harringtons Tod aufgeflogen war. Ein wahres Unglück aber bedeutete, dass neben Arnos Parnell, dem letzten legislaturistischen Oberkommandierenden der Volksflotte, eine ganze Reihe von Zeugen auftrat, die das Komitee für Öffentliche Sicherheit im Allgemeinen und Rob Pierre und Oscar Saint-Just im Besonderen bezichtigten, die wahren Drahtzieher des Harris-Attentats zu sein. Dass die meisten dieser Zeugen, einschließlich Parnells, unverkennbar gefoltert worden waren, war eine einzige Katastrophe. Die Manticoraner waren klug genug gewesen, um sie alle auf der Stelle nach Beowulf zu schicken, wo Ärzte aus der Liga mühelos und zweifelsfrei feststellten, was genau geschehen war. Am allerschlimmsten aber waren die Aufzeichnungen von Dennis Tresca, in denen er die Folterungen persönlich leitete und hämisch bestätigte, dass Pierre und Saint-Just den Umsturz geplant und ausgeführt hatten.
Der
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