Honor Harrington 18. Auf Biegen und Brechen
hätten einnehmen sollen.
»Wer will den ersten Ball ins Spiel bringen?«, fragte sie.
In der Stille klang der Summer des Intercoms erschreckend laut.
Honor setzte sich rasch auf, fuhr sich mit der rechten Hand über die Augen und verzog das Gesicht, als sie die Zeitanzeige des linken Auges aufrief. Kaum fünfzig Minuten lang hatte sie sich auf der Liege ausgestreckt, und nach dem bisschen Schlaf, in den sie gefallen war, fühlte sie sich eher noch stärker gerädert als vorher.
Das Intercom summte wieder, und sie rappelte sich auf und ging hinüber.
»Mac«, sagte sie mit ungewohnter Heftigkeit, »ich dachte, ich hätte gesagt –«
»Es tut mir schrecklich leid, Ma'am«, unterbrach MacGuiness sie. »Ich weiß, dass Sie vor dem Abendessen nicht gestört werden wollten. Es ist jedoch jemand hier, den Sie empfangen sollten.«
»Mac«, sagte sie wieder, ohne die vorherige untypische Hitzigkeit, aber müde, »solange es kein Notfall ist, möchte ich wirklich niemanden sehen. Kann Mercedes sich nicht um die Sache kümmern?«
»Ich fürchte, nein, Ma'am«, erwiderte MacGuiness. »Er kommt direkt von der Admiralität und hat ausdrücklich darum ersucht, Sie persönlich zu sprechen.«
»Oh.«
Honor straffte den Rücken und atmete tief durch. Es war gerade genug Zeit verstrichen, dass ihre erbitterten Kommentare zu Mandel die Admiralität erreicht und eine Reaktion hervorgerufen haben konnten. Und dass man jemanden gesandt hatte, um diese Reaktion persönlich zu überbringen, war ein Hinweis, dass Admiral Givens und das JAG-Corps vielleicht nicht sehr glücklich waren mit Honors Verhalten.
Na, so ein Pech aber auch , dachte sie grimmig. Ich bin Admiral, Flottenchefin, Herzogin und Gutsherrin. Dieser Fall ist zu wichtig, um durch Engstirnigkeit in den Sand gesetzt zu werden, und diesmal werden die maßgeblichen Stellen verdammt noch mal Rücksicht auf mich nehmen!
Der Zorn in ihren Gedanken erstaunte sie ein wenig. Sie fragte sich – nicht zum ersten Mal –, wie viel von diesem Zorn ihren Schuldgefühlen entsprang. Doch das spielte keine Rolle. Nicht wenn sie unerschütterlich sicher war zu wissen, was man Timothy Meares angetan hatte.
»Also gut, Mac«, sagte sie schließlich, »geben Sie mir zwo Minuten, dann können Sie ihn reinschicken.«
»Jawohl, Ma'am.«
Honor schaltete das Intercom ab, nahm ihre Uniformjacke auf, zog sie sich über, schloss sie und blickte in den Spiegel am Schott. Sie zuckte mit den Schultern, damit sich die Jacke richtete, und fuhr sich mit der rechten Hand leicht übers Haar. Das Haar reichte ihr nun halb bis zu den Hüften, wenn sie es offen trug, aber sie hatte die straffen, enggeschlungenen Zöpfe für das allzu kurze Nickerchen nicht gelöst, und sie nickte zufrieden. Die leichte Anspannung rings um ihre Augen hätte jemandem, der sie sehr gut kannte, verraten, wie müde sie tatsächlich war, aber sie fand an ihrer äußeren Erscheinung nichts auszusetzen.
Sie blickte Nimitz an, aber der 'Kater hatte sich auf seine Schlafstange drapiert und schlummerte fest. Sie spürte ihn im Hinterkopf, so wie er sich auch im tiefsten Schlaf, wie sie wusste, ihrer stets wenigstens am Rande bewusst war. Sie weckte ihn nicht. Er war genauso erschöpft wie sie, und auch ihn beschäftigte nach wie vor die Trauer um zwei verlorene enge Freunde.
Simon Mattinglys Begräbnis hatte geholfen … ein wenig. Es hatte zumindest ein wenig Katharsis gebracht, doch zugleich hatte Honor nur umso deutlicher gespürt, wie weit er sich von seiner Heimatwelt entfernt hatte, nur um zu sterben. Für den Gottesdienst hatte sie sich Bruder Hendricks ausgeborgt, den Feldgeistlichen eines graysonitischen LAC-Geschwaders unter Alice Truman. Aus schmerzlicher Erfahrung wusste sie, dass die graysonitische Tradition verlangte, einen Waffenträger dort zu bestatten, wo er gefallen war, und während des kurzen Militärbegräbnisses standen Andrew LaFollet und Spencer Hawke steif wie die Ladestöcke hinter ihr. Danach trugen sie, Alistair McKeon, Michelle Henke und James MacGuiness den mit der Flagge des Gutes von Harrington verhüllten Sarg zur wartenden Luftschleuse.
Die beiden Waffenträger standen wieder in steifer Habtachtstellung hinter ihr, während die innere Luke der Luftschleuse sich schloss. Dann ergriff Bruder Hendricks leise das Wort.
»In die Hände des Allmächtigen Gottes empfehlen wir die Seele unseres dahingeschiedenen Bruders und übergeben seinen Leib dem endlosen Meer des Weltalls in
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