Clean Team
PROLOG
Wenn nach Mitternacht die trauernde Tochter eines reichen Selbstmörders aus Malibu anruft und einen Tatortreiniger bestellt, dann erwartet man wohl kaum, sie in einem schäbigen Motel am Highway 405 mitten im Industriegebiet von Carson anzutreffen. Andererseits, was weiß ich schon.
- Autsch. Sieht schmerzhaft aus.
Ich fasste an den Verband auf meiner Stirn.
- Wenn’s schon so aussieht, kannst du dir bestimmt leicht ausrechnen, wie sich’s anfühlt.
Die im Türspalt sichtbare Hälfte ihres Gesichts nickte.
- Muss übel sein.
Autos peitschten auf dem Highway hinter dem Motelparkplatz vorbei. Die Fahrer nutzten die wenigen Stunden in Los Angeles County, in denen sie richtig auf die Tube drücken konnten. Einige schienen den Geschwindigkeitsrekord für Landfahrzeuge brechen zu wollen.
Ich musterte Soledads halbes Gesicht.
- Und?
- Hä?
Ich hob die Plastikkiste mit den Reinigungsutensilien, die ich aus dem Lieferwagen angeschleppt hatte.
- Hat hier jemand den Zimmerservice bestellt?
- Ja. Das war ich.
- Dachte ich mir.
Ihr Zeigefinger versetzte die Türkette in eine sachte Schaukelbewegung.
- Ich hab nicht damit gerechnet, dass du kommst.
- Tja, ich bin eben immer für eine Überraschung gut.
Sie ließ von der Kette ab.
- Eine schlechte Angewohnheit. Die meisten Menschen mögen keine Überraschungen. Weißt du das nicht?
Ich starrte hinüber zum Highway und zu den vorbeidonnernden Autos.
- Kann ich dich was Blödes fragen?
- Nur zu.
Ich schaute wieder zu ihr.
- Warum, zum Henker, bin ich hier?
Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar und ließ es zurück über die Stirn fallen.
- Bist du wirklich sicher, dass du das tun willst, Web?
Es war die Art von Frage, bei der die meisten Menschen wohl sofort gefolgert hätten, dass etwas an der Situation faul war und man besser die Finger davon ließ. Und natürlich hätte ich sie jederzeit als Stichwort zum Rückzug nehmen, in den Lieferwagen springen und schleunigst das Weite suchen können. Bloß war mir bereits klar, dass die ganze Geschichte zum Himmel stank, als sie mich mitten in der Nacht angerufen und gebeten hatte, ein Motelzimmer für sie zu säubern. Trotzdem war ich gekommen. Wem wollte ich hier also was vormachen?
- Lass mich einfach rein, dann schau ich mir das Problem mal an.
- Und du kriegst das hin?
Ich schüttelte den Kopf.
- Nein, vermutlich nicht. Aber hier draußen ist es scheißkalt. Und da ich sowieso schon hier bin, kann ich genauso gut reinkommen.
Sie schenkte mir ein Lächeln, dessen andere Hälfte hinter der Tür verborgen blieb.
- Und heimlich hoffst du immer noch, dass meine Bitte, was für mich sauber zu machen, eine Art versteckter Flirt ist?
Ich rieb mir über den Schädel und schwieg. Ich wollte ein nein vermeiden, um nicht bereits in dieser frühen Phase unserer Beziehung zu schwindeln. Dafür war später noch genug Zeit. Gelegenheit zu lügen gab es immer.
Sie atmete tief ein und stieß die Luft wieder aus.
- Okay.
Die Tür fiel ins Schloss, innen wurde die Kette gelöst, und als sie sich wieder öffnete, betrat ich das Motelzimmer. Etwas knirschte unter meinen Füßen.
- Ist er das Arschloch?
Ich blickte zu dem Kerl mit der blondierten Hahnenkammfrisur, der an der Badezimmertür lehnte. Seine Zähne waren weiß gebleicht, und sein brauner Teint stammte offensichtlich aus der Tube. Ich musterte die Blutspritzer auf seinen Designerjeans und auf seinem neuen, kunstvoll auf alt getrimmten Rolling-Stones-T-Shirt, das für Gigs warb, die lang vor seiner Geburt stattgefunden hatten. Dann betrachtete ich die erheblich größeren Blutflecken auf den Laken des Doppelbetts und die Blutschmierer an der Wand. Um zu sehen, was ich unter meinen Füßen zertreten hatte, linste ich nach unten und rechnete eigentlich schon mit Kakerlaken, doch es waren nur Mandelschalen. Hinter mir schlug die Tür zu und wurde verriegelt. Ich beobachtete, wie Soledad aufs Bad zulief und der Typ ihre Hand packte, bevor sie es betreten konnte.
- Ich hab gefragt, ist er das Arschloch ?
Ich zeigte auf mich.
- Ehrlich gesagt, unter anderen Umständen und an so ziemlich jedem anderen Tag würde ich das ohne weiteres zugeben. Aber heute, unter den speziellen Bedingungen in diesem Raum hier, und mal abgesehen von der Tatsache, dass wir uns noch nicht lang kennen …
Jetzt zeigte ich auf
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