Hornblower 01 - Fähnrich zur See Hornblower
jetzt fiel ihm ein, daß er weder seine Halsbinde zurechtgezogen noch nachgeprüft hatte, ob der Säbel richtig hing. Er mußte immer noch aufgeregt blinzeln, als er die strengen Gesichter hinter dem Prüfungstisch vor sich sah. »Darf ich bitten, Sir?« hörte er eine befehlsgewohnte Stimme sagen.
»Melden Sie sich doch endlich, wir haben nicht viel Zeit.«
»H-Hornblower, Sir. Horatio Hornblower. F-Fähnrich, das heißt diensttuender Leutnant Seiner Majestät Schiff Indefatigable .«
»Ihre Zeugnisse bitte«, sagte der Herr zur Rechten.
Hornblower reichte sie hin, und während er noch wartete, bis sie durchgesehen waren, ertönte es plötzlich von links:
»Sie liegen hart am Wind über Steuerbord-Bug, Mr. Hornblower, und kreuzen bei starkem Nordostwind kanaleinwärts. Dover peilt Nord, zwei Meilen ab. Ist das klar?«
»Jawohl, Sir.«
»Jetzt schießt der Wind plötzlich vier Strich aus, Ihre Segel schlagen back. Bitte Entschluß, Sir, was machen Sie?«
Wenn Hornblower in diesem Augenblick überhaupt etwas dachte, dann höchstens an die Loxodrome. Die Frage nahm ihm ebenso den Wind aus den Segeln, wie es dem Schiff geschah, um das sie sich drehte. Er klappte den Mund auf und zu, brachte aber keinen Laut hervor.
»Ihre Masten gehen über Bord«, verkündete der hohe Herr in der Mitte, er hatte eine auffallend dunkle Hautfarbe, woraus Hornblower schloß, daß es der schwarze Charlie Hammond sein müsse. So etwas ging ihm durch den Kopf, aber zu der gestellten Frage fiel ihm beim besten Willen nichts ein.
»Sie haben also keine Masten mehr«, ließ sich jetzt wieder der Herr zur Linken vernehmen und lächelte dazu wie ein Nero bei den letzten Zuckungen eines gemarterten Christen. »In Lee liegen die Klippen von Dover, Sie befinden sich also in einer sehr üblen Lage, nicht wahr, Mr.... richtig, Mr. Hornblower?«
Ja, seine Lage war wirklich übel. Wieder klappte er den Mund wortlos auf und zu. In seiner Benommenheit nahm er keine Notiz davon, daß irgendwo draußen, nicht allzuweit ab, ein Kanonenschuß losgegangen war. Auch die Prüfungskommission schien sich nicht dafür zu interessieren. Erst als einen Augenblick später eine ganze Reihe weiterer Schüsse fiel, sprangen die drei Kapitäne von ihren Stühlen hoch. Jetzt war jede Form vergessen, sie rannten aus der Kajüte und stießen den Posten vor der Tür einfach beiseite. Hornblower lief ihnen nach.
Als sie auf dem Mitteldeck anlangten, stieg eben eine Rakete in den Nachthimmel auf und zerbarst zu einem Schauer roter Sterne. Das war das Signal für allgemeinen Alarm, Trommelgerassel klang von der Reede her und verkündete, daß alle vor Anker liegenden Schiffe Klarschiff anschlugen. Am Backbordfallreep drängte sich der Rest der Prüflinge in aufgeregter Unterhaltung. »Sehen Sie, dort!« rief jemand aus.
Eine halbe Meile entfernt flammte über dem nachtdunklen Wasser ein gelber Lichtschein auf, das Feuer wuchs und wuchs - ein Schiff, das in hellen Flammen stand. Alle seine Segel waren gesetzt, es steuerte geradewegs auf die von Ankerliegern überfüllte Reede zu. »Brander!«
»Der Wachhabende Offizier! Rufen Sie meine Gig!« brüllte Foster. Eine Linie von Brandern lief vor dem Wind mitten in die dicht gedrängten Schiffe hinein, die hier vor Anker lagen. Auf der Santa Barbara herrschte bereits wildestes Durcheinander.
Matrosen und Seesoldaten strömten an Deck, Kapitäne und Prüflinge schrien nach Booten, die sie auf ihre Schiffe zurückbringen sollten. Eine Reihe rotgelber Blitze flammte über dem Wasser auf, gleich darauf dröhnte der Donner einer Breitseite. Eines der Schiffe feuerte mit seiner Artillerie auf einen Brander, um ihn zum Sinken zu bringen. Wenn nämlich einer dieser lichterloh brennenden Schiffsrümpfe, und wäre es nur für Sekunden Dauer, an ein ankerndes Schiff geriet, dann war es um dieses geschehen. Das trockene, von Farbe getränkte Holz, das geteerte Tauwerk, die leicht entzündlichen Segel fingen so rasch Feuer, daß an Löschen nicht mehr zu denken war. Für die Männer auf diesen wie Zunder brennenden Schiffen, die obendrein eine Menge Sprengstoff mit sich führten, war Feuer die tödlichste und daher am meisten gefürchtete Gefahr auf See.
»Das Mietboot dort!« brüllte Hammond plötzlich. »Das Mietboot! Kommen Sie längsseit! Längsseit kommen, verdammt noch mal!« Er hatte mit raschem Blick die vorbeirudernde zweiriemige Jolle entdeckt. »Längsseit kommen, oder ich schieße Sie über den Haufen!« ergänzte
Weitere Kostenlose Bücher