Hotel der Sehnsucht
den Taumel zu bekämpfen, der sie wieder zu erfassen drohte. Stimmen drangen an ihr Ohr, und Fragen prasselten auf sie nieder. „Was ist mit ihr?" „Geht es ihr nicht gut?" „Was hat der Mann denn gesagt?"
Schon fürchtete sie, erneut das Bewusstsein zu verlieren, als ihr klar wurde, dass sich das Foyer unterdessen mit Menschen gefüllt hatte, die ihre Neugier stillen wollten.
„Bitte bring mich von hier weg", bat Samantha Carla leise, die verständnisvoll nickte und sie aufforderte, den Arm um ihre Schultern zu legen.
Doch kaum machte Samantha den Versuch aufzustehen, spürte sie einen stechenden
Schmerz im rechten Bein, der sie laut aufstöhnen ließ.
„Das hatte ich befürchtet." Besorgt musterte Carla Samanthas Knie. „Du bist im Fallen mit dem Knie gegen den Tresen geschlagen. Was meinst du, wirst du es trotzdem schaffen?"
Samantha biss die Zähne zusammen und rang sich ein Lächeln ab. Humpelnd und auf Carla gestützt, durchquerten sie die Halle.
„Wo willst du hin?" Der Fremde war aufgesprungen und blickte Samantha ängstlich hinterher, als fürchtete er, sie könnte Reißaus vor ihm nehmen.
„Dorthin", erwiderte Samantha und zeigte auf eine Tür hinter der Rezeption. „Wenn Sie unbedingt wollen, können Sie mitkommen." Seine plötzliche Sorge rührte sie mehr, als sie sich eingestehen mochte.
„Und ob ich das will", antwortete er entschlossen. Doch kurz bevor er die beiden Frauen erreicht hatte, blieb er unvermittelt stehen und besah sich die Menschenansammlung.
„Wollen Sie nicht jemanden rufen, der sich inzwischen um die Gäste kümmert?" wandte er sich an Carla.
Verwundert stellte Samantha fest, dass er mit amerikanischem Akzent redete. Hatte er nicht eben noch mit Mr. Payne Italienisch gesprochen?
„Leider ist außer uns niemand da", erklärte Carla. „Sobald ich Samantha versorgt habe, gehe ich wieder an die Rezeption."
„Du willst mich doch wohl nicht mit dem Kerl allein lassen!" protestierte Samantha energisch, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass der Fremde gekränkt sein musste, falls er sie hören konnte.
„Keine Angst", bemühte sich Carla, ihre Freundin zu beruhigen. Gleichzeitig suchte sie krampfhaft nach einem Ausweg aus der Zwickmühle, in der sie steckte, denn lange konnte sie die Rezeption nicht unbeaufsichtigt lassen.
„Nathan, übernimm du das solange", ordnete der fremde Mann in einem Ton an, der keine Widerworte duldete. „Keine Sorge, er kennt sich aus", fügte er hinzu, als Carla ihn fragend ansah. Dann ging er hinter den Tresen und öffnete die Tür.
Samantha stützte sich mit ihrem ganzen Gewicht auf Carla und humpelte ins Zimmer.
Als sie an dem Mann vorbeikamen, biss sie sich auf die Lippe, um sich nicht anmerken zu lassen, wie weh ihr das Knie tat.
Der Fremde folgte ihnen so dicht, dass Samantha seinen Atem im Nacken zu spüren
glaubte. Seine Nähe war ihr unangenehm, und lieber wäre es ihr gewesen, er hätte sie mit Carla allein gelassen. Irgendwie war er ihr unheimlich. Und sie hatte nicht die geringste Lust, diesen Eindruck zu überdenken - und wenn er hundert Mal derjenige sein mochte, der ihr das zurückgeben konnte, wonach sie sich am allermeisten sehnte: ihre Vergangenheit.
Im Zimmer angekommen, ließ sich Samantha erschöpft in einen Sessel sinken und bat Carla, ihr rasch das Schmerzmittel zu holen, das sie in ihrem Nachttisch aufbewahrte. Kaum war sie gegangen, nahm der Fremde einen Stuhl und setzte sich direkt vor Samantha. Er war ihr so nah, dass sie die Wärme und den feinen Duft seines Körpers wahrnehmen konnte.
Um wenigstens seinem Blick auszuweichen, beugte sie sich vor und rieb sich das schmerzende Knie.
„Tut es sehr weh?" erkundigte sich ihr Gegenüber.
„Es geht", log sie, denn in Wirklichkeit tat es höllisch weh. „Wenn ich das Bein einige Minuten hochlege, geht es bestimmt wieder."
„Hat dir das auch der Unfall eingebrockt?"
„Woher wissen Sie davon?" fragte Samantha überrascht.
„Was glaubst du denn, wie ich dich gefunden habe?" gab er bissig zurück. Doch als er bemerkte, dass seine Antwort Samantha zusammenzucken ließ, wurde sein Gesichtsausdruck augenblicklich sanfter. „Es tut mir Leid", entschuldigte er sich. „Ich wollte nicht grob werden. Eigentlich hat dich Nathan aufgespürt. Er betreut für mich einige Projekte in der Gegend. Dabei ist ihm zufällig der Zeitungsartikel über dich in die Hände gefallen. Wenn das Foto nicht gewesen wäre, hätte er sich bestimmt nichts dabei gedacht. So aber
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