Hotel Pastis
Sekretärin das Rennen, die er stets mit großem Wohlgefallen betrachtete. Allein der Anblick einer nach vorne gebeugten Liz hatte ihn zahllose Sitzungen durchstehen lassen. »Guten Morgen, Elizabeth.«
»Guten Morgen, Mr. Shaw. Wie geht’s Ihnen heute?« Sie lächelte ihn über den Fächer aus gefaxten Mitteilungen hinweg an. Wenn er sie Elizabeth nannte, war er guter Laune, das wußte sie.
»Mir geht’s prächtig, und eine Tasse Kaffee würde mein Wohlbefinden noch steigern. Und dann sollten wir Eimer und Schaufel und meinen Sonnenhut zusammensuchen.«
Abrupt hielt Liz auf dem Weg zur Kaffeemaschine inne. Sie hob die Augenbrauen.
»Ich nehme mir ein paar Tage frei. Ich habe mir überlegt, daß ich mal durch Frankreich gondeln und mich mit eigenen Augen überzeugen könnte, ob es stimmt, was man sich über Saint-Tropez erzählt.«
»Das wird Ihnen sicher guttun. Was erzählt man sich denn über Saint-Tropez?«
»Im Herbst«, sinnierte Simon, »kommt man in Saint-Tropez allerdings nicht in Versuchung. Außer mir werden nur noch Möwen den Strand bevölkern, und ich werde in meiner Mönchszelle einsame Abende verbringen. Würden Sie bitte im Byblos ein Zimmer für mich reservieren?«
Liz beugte sich über den Schreibtisch und kritzelte etwas auf ihren Notizblock. »Sie brauchen auch einen Platz auf der Autofähre.«
»Ja. Und eine Übernachtung in Paris. Im Lancaster.«
»Wann wollen Sie fahren?«
»Morgen. Rufen Sie Philippe Murat an und fragen Sie ihn, ob er abends mit mir essen gehen will. Und sagen Sie ihm um Himmels willen, es sei geschäftlich. Sonst tanzt er wieder mit einer seiner Bienen aus der Redaktion von Elle an und pustet ihr den ganzen Abend lang ins Ohr. Sie kennen ihn ja — unter der After-Shave-Oberfläche lauert ein Sexbesessener.« Affektiert verzog Liz das Gesicht. »Ich finde Mr. Murat sehr charmant.«
»Ich wollte Sie ja auch nur davor warnen, jemals mit ihm allein einen Lift zu benutzen.«
Simon fühlte sich beschwingt, er konnte es kaum erwarten, dem Büro den Rücken zu kehren. Um den Einzug in die Rutland Gate konnte sich Ernest kümmern, und Jordan stand eine großartige Zeit bevor: Er durfte eine Woche lang Chef spielen. Schließlich konnte in einer Woche nicht allzu viel schiefgehen. Liz kam mit dem Kaffee zurück. »Wollen Sie jetzt die Anrufe erledigen?«
»Nur die Kundengespräche. Mit dem Firmenkram soll sich Jordan befassen.«
»Und die Anwaltskanzlei von Mrs. Shaw?«
»Ah, ja. Meinen Sie nicht auch, es genügt, wenn ich denen eine Ansichtskarte aus Saint-Tropez schicke?«
»Gestern war der Chef persönlich am Telefon. Er sagte, es sei dringend.«
Simon nahm einen Schluck Kaffee. »Wußten Sie, Elizabeth, daß er neben dem Telefon eine Stoppuhr liegen hat? Er berechnet sein Honorar pro Minute. Wenn Sie je, was Gott verhüten möge, so verzweifelt sein sollten, ihn anzurufen und zum Essen einzuladen, wird er Ihnen den Anruf in Rechnung stellen. Eine Postkarte käme entschieden billiger.«
»Aber dann müßten Sie ihn anrufen, wenn Sie zurückkommen.«
»Sie haben recht. Ich weiß, daß Sie recht haben.« Ein tiefer Seufzer. »Okay. Melden wir uns bei der diebischen Elster, bevor sie uns gerichtlich zu einem Telefonanruf vorladen läßt. Aber hören Sie mit, wenn er abhebt. Sie können die Uhr ticken hören. Es ist so eine, die man zum Eierkochen verwendet.« Der Anruf war kurz und teuer. Caroline wollte ein neues Auto. Sie brauchte ein neues Auto. Sie hatte das Recht auf ein neues Auto, so stand es im Vergleich. Simon erklärte sich mit einem BMW einverstanden, feilschte aber wegen der Stereoanlage, bis ihm klar wurde, daß sie ihm billiger kam als ein fünf Minuten langer Disput mit dem Anwalt. Als er auflegte, fragte er sich, ob wohl die Ermordung eines Rechtsanwalts als crime passionnel durchgehen könnte.
Dann blickte er auf und sah Jordan mit einer Tasse Kaffee in der Hand am Türrahmen stehen, von Kopf bis Fuß die elegante Antithese dessen, was man sich landläufig unter einem Werbefachmann vorzustellen pflegt. Seine äußerst respektable und altmodische Erscheinung war allerdings wohl der Grund dafür, daß die Kunden zu ihm Vertrauen hatten. Ernest schwor, daß er Jordans Anzug einmal hatte knarren hören, so steif war der Stoff.
Heute war er als erfolgreicher Merchant Banker verkleidet — mit einem dreiteiligen Nadelstreifenanzug, einem gestreiften Hemd, einer dezenten Krawatte; die goldene Uhrkette in seinem Revers verschwand in den üppigen Falten
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