Hotel
aufrichtige Sympathie für sie, als er im Lift zum Zwischengeschoß hinunterfuhr.
Im Fall eines Besitzerwechsels würde sich vermutlich den jüngeren und intelligenteren Angehörigen des Personals die Gelegenheit bieten, zu bleiben. Er nahm an, daß die meisten von ihnen die Chance ergreifen würden, da der O’Keefe-Konzern für sein gutes Betriebsklima bekannt war. Ältere Angestellte jedoch, und natürlich vor allem solche, die im Dienst nachlässig geworden waren, hatten Grund zur Beunruhigung.
Als Peter McDermott sich dem Verwaltungstrakt näherte, begegnete er dem Chefingenieur Doc Vickery. Er blieb stehen und sagte: »Fahrstuhl Nummer vier hat gestern nacht Schwierigkeiten gemacht. Ich hab’ mich gefragt, ob Sie’s schon wissen.«
Der Chef nickte verdrießlich mit seinem kahlen gewölbten Schädel. »Es ist ein undankbares Geschäft, mit Maschinen umzugehen, in die man von Rechts wegen einen Haufen Geld stecken müßte.«
»Ist es denn wirklich so schlimm?« Das Budget für die technische Abteilung war unlängst gekürzt worden, und Peter hörte zum erstenmal von ernsthaften Schwierigkeiten mit den Fahrstühlen.
Doc Vickery schüttelte den Kopf. »Falls Sie meinen, ob wir einen schweren Unfall riskieren, ist die Antwort nein. Ich passe auf die Sicherungsvorrichtungen auf wie ein Luchs. Aber wir hatten schon eine Reihe kleinerer Pannen, und irgendwann wird’s auch mal zu einer größeren kommen. Es brauchen bloß ein paar Kabinen einige Stunden lang steckenbleiben, und der gesamte Hotelbetrieb geht aus den Fugen.«
Peter nickte. Wenn nichts Schlimmeres zu erwarten war, hielt er es für unnötig, sich übermäßig aufzuregen. »Wieviel würden Sie brauchen?«
Der Chef spähte über seine dickrandige Brille. »Fürs erste einhunderttausend Dollar. Wenn ich die hätte, würde ich die alten Fahrstühle rausreißen und neue einbauen, und ein paar andere Dinge würde ich auch ersetzen.«
Peter stieß einen leisen Pfiff aus.
»Ich will Ihnen was sagen«, erklärte der Chef. »Gute Maschinen sind was Schönes und haben manchmal beinahe was Menschliches. Die meiste Zeit leisten sie mehr, als man ihnen zugetraut hat, und danach, wenn man sie zusammenflickt und ihnen gut zuredet, holt man noch immer eine Menge Arbeit aus ihnen heraus. Aber irgendwann kommt ein toter Punkt, wo’s nicht mehr weitergeht, egal wie sehr man selbst – und die Maschine – es auch möchte.«
Peter sann noch über die Worte des Chefs nach, als er sein Büro betrat. Wo mochte der tote Punkt für ein ganzes Hotel liegen? Für das St. Gregory war er bestimmt noch nicht gekommen, aber er vermutete, daß die derzeitige Geschäftsführung den ihren schon längst erreicht hatte.
Auf seinem Schreibtisch lag ein Stapel Post, Berichte und telefonische Mitteilungen. Er griff nach der obersten und las: ›Miss Marsha Preyscott hat zurückgerufen und will in Zimmer 555 warten, bis sie von Ihnen hört.‹ Die Notiz erinnerte ihn an seinen Vorsatz, mehr über die nächtlichen Ereignisse in der Nummer 1126-7 herauszufinden.
Noch eins: Er mußte möglichst bald bei Christine vorbeischauen. Einige kleinere Dinge, die allerdings nicht wichtig genug waren, um bei der Unterredung heute morgen zur Sprache zu kommen, bedurften einer Rückfrage bei Warren Trent. Gleich darauf zankte er sich grinsend aus: ›Hör auf, dir was vorzumachen! Du möchtest sie sehen, und warum auch nicht?‹
Während er darüber nachdachte, was er als erstes tun sollte, schrillte das Telefon. Es war der Empfangschef. »Ich dachte mir, Sie würden es wissen wollen«, sagte er. »Mr. Curtis O’Keefe ist eben angekommen.«
5
Curtis O’Keefe schoß in die geschäftige gewölbte Hotelhalle wie ein Pfeil, der einen Apfel durchbohrt. Und der Apfel war leicht angefault, dachte er kritisch. Mit den Augen des erfahrenen Hoteliers sah er die faulen Stellen mit einem Blick. Winzige, aber bedeutsame Anzeichen zeigten ihm, daß das Hotel schlecht geführt wurde. Eine auf einem Sessel liegengebliebene Zeitung, die nicht weggeräumt worden war; ein halbes Dutzend Zigarettenstummel in einer Sandurne bei den Fahrstühlen; der fehlende Knopf an der Uniform eines Boys; zwei ausgebrannte Birnen im Kronleuchter an der Decke. Vor dem Eingang auf der St. Charles Avenue schwatzte der uniformierte Türsteher mit einem Zeitungsverkäufer, umwogt vom Strom der Gäste und Passanten. Ein älterer Direktionsassistent saß vor sich hin brütend hinter seinem Schreibtisch und schien nichts von
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