Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)
Schritte, und wir standen vor der Tür des Kapitäns. Die stand offen, und – Herr des Himmels – ganz im Hintergrund des Ganges, der zum Salon führt, erblicken wir ein Licht und vernehmen Stimmengemurmel.
Jim flüsterte mir zu, ihm sei sterbensübel, und beschwor mich, mit ihm wegzugehen. Ich sagte: »Gut, komm fort.«
Da hörte ich gerade eine Stimme stöhnen und flehen: »Ach, laßt mich doch, Jungens, ich schwör's, ich verrat' euch nicht!«
Drauf antwortete eine andre Stimme ziemlich laut: »Da lügst du, Jim Turner, wir sind dir hinter die Schliche gekommen! Immer hast du den größten Teil gewollt, wenn's etwas zu teilen gab, und auch gekriegt, was noch wichtiger ist, weil du uns immer verraten wolltest, wenn wir's nicht täten. Diesmal aber haben wir dich gefangen, Kerl! Gemeiner, verlogener Hund du!«
Jim hatte sich schon lange davongemacht und mußte bereits beim Floß angelangt sein, in mir aber regte sich die Neugier immer mehr. Tom Sawyer hätte nun erst recht nicht locker gelassen, sagte ich mir, und ich tu's auch nicht, ich muß sehen, was da vorgeht. Ich ließ mich also auf Hände und Knie nieder und kroch in dem kleinen Durchgang in der Dunkelheit nach hinten, bis mich nur noch die Breite einer Kabine von dem Salon trennte. Da drinnen lag ein Mann an Händen und Füßen geknebelt auf dem Boden, zwei andre standen vor ihm, der eine mit einer kleinen Laterne, der andre mit einer Pistole in der Hand. Der mit der Pistole zielte auf den Kopf des Geknebelten und wiederholte immer wieder: »Ich möcht' ihn niederschießen, den Hund, und ich sollt's eigentlich auch tun – dieser Verräter!«
Der am Boden krümmte sich dann jedesmal und ächzte: »Tu's nicht, Bill, tu's, bitte, nicht – ich sag' gewiß und wahrhaftig kein Sterbenswörtchen mehr!«
Und als er so wimmerte, höhnte der mit der Laterne: »Was Gescheiteres und was Wahreres hast du noch nie gesagt, das schwör' ich dir!« Und einmal sagte er: »Hör nur, wie der Kerl bettelt, und doch, wenn wir nicht stärker gewesen wären als er, hätt' er uns beide getötet, so gewiß ich hier stehe. Und warum – weshalb? Für nichts, rein für nichts? Nur weil wir haben wollten, was uns gehörte. Nur darum! Ich wett' aber, du drohst keinem mehr, Jim Turner! – Tu die Pistole weg, Bill!«
Drauf Bill: »Ich will aber nicht, Jack, ich will den Hund zum Schweigen bringen. Verdient er's nicht, der schlechte Kerl? Hat er nicht von selbst dem alten Hatfield den Garaus gemacht?«
»Ich aber will nicht, daß du ihn tötest, und ich habe meine Gründe dafür!«
»Gott segne dich für diese Worte, Jack, ich werde sie dir nie vergessen, so lang ich lebe«, schluchzte der am Boden.
Jack hörte nicht auf ihn, hing seine Laterne an einen Nagel und ging im Dunkeln gerade auf die Stelle zu, wo ich war, während er Bill veranlaßte, ihm zu folgen. Ich retirierte wie ein Krebs, so schnell ich konnte. Um nicht entdeckt zu werden, blieb mir nur übrig, mich in eine der nächsten Kabinen zu flüchten.
Vor dem Eingang der Kabine, in die ich geflüchtet war, blieb Jack stehen und rief: »Komm hier herein.«
Und Jack, gefolgt von Bill, trat ein. Ich aber hatte mich zuvor geschwind in eine der oberen Kojen verkrochen. Sehen konnte ich sie nicht, wohl aber riechen, so viel Branntwein hatten sie geladen. Gott sei Dank, daß ich keinen trinke, aber ich glaube, sie hätten's doch nicht gerochen. Mir war fast der Atem vergangen, so beklommen fühlte ich mich. Da lieg' aber auch mal einer und atme, wenn zwei dicht unter seiner Nase solches Zeug verhandeln! Sie sprachen leise und eifrig. Bill wollte Turner durchaus töten. Spricht Bill: »Er hat gedroht, uns zu verraten, und er wird's tun, wenn wir ihn jetzt laufen lassen und wenn wir ihm selbst unser Teil noch dazugeben. Das weißt du so gut wie ich, Jack, warum also zögern? Ich bin dafür, daß wir ihn von dieser Welt erlösen!«
»Ich auch!« bestätigt Jack sehr ruhig. – »Hol's der Teufel, das hab' ich dir bis jetzt nicht angemerkt! Gut also, voran denn!«
»Wart noch eine Minute, Bill, und hör mich erst zu Ende, ich bin noch nicht fertig. Eine Kugel ist ganz gut, aber es gibt auch noch eine geräuschlosere Art, so was zu tun, wenn's getan sein muß! Warum sich in Gefahr begeben, wenn du ganz dasselbe ohne jede Gefahr haben kannst? Hab' ich nicht recht?«
»Natürlich! Aber was willst du eigentlich tun?«
»Hör mich an! Ich denke, wir sehen noch einmal alle Räume nach, damit wir nichts vergessen mitzunehmen,
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