Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)
drauf stoßen wir ab ans Ufer und verbergen die Beute. Dann warten wir's ruhig ab. In weniger als zwei Stunden geht diese alte Rattenfalle doch auseinander, und wenn der Kerl dann mit ersäuft, wer ist schuld daran? Warum kommt er her? Merkst du's nun? Ich bin immer dagegen gewesen, einen Menschen zu töten, wenn man's vermeiden kann – 's ist dumm und 's ist unmoralisch!«
»Da hast du recht! Aber wenn nun die Geschichte nicht so schnell auseinandergeht?«
»Na, die zwei Stunden wollen wir auf jeden Fall einmal warten. Komm, vorwärts!«
Sie verdufteten und ich auch, und zwar ziemlich rasch, von kaltem Schweiß bedeckt. Ich kroch eiligst dahin zurück, wo wir angelegt hatten. Es war dort so dunkel wie in einer Kuh, und ich konnte die Hand nicht vor den Augen sehen, flüsterte nur ganz leise: »Jim!« Dicht neben mir stöhnt etwas Antwort.
»Schnell, Jim, wir haben mit Stöhnen gar keine Zeit zu verlieren. Das ist eine Räuber- und Mörderbande dadrinnen, und wenn wir ihr Boot nicht erwischen und es forttreiben lassen, so ist einer von den Kerlen arg in der Klemme. Ich möcht' sie aber alle drei zappeln lassen und dem Sheriff ausliefern. Schnell, eil dich! Ich will diese Seite absuchen nach dem Boot, du die andre. Dann setzt du dich ins Floß und –«
»Floß? O Herr, herrjemine, Floß? Da sein kein Floß nix mehr! Floß sein losgerissen, sein fort, und arme alte Jim und Huck sein verloren! Sein keine Floß nix da!«
13. Kapitel
Flucht aus dem Wrack – Der Wächter an der Fähre – Untergang – Gesunder Schlaf
Mir ging der Atem aus, und ich fiel beinahe um vor Entsetzen. Hier auf dem Wrack allein mit einer solchen Bande wie die da drunten, das war kein Spaß! Jetzt mußten wir ihr Boot finden – mußten's für uns selbst haben! So krochen wir zitternd und bebend nach Steuerbord zurück, und es schien uns eine Ewigkeit, bis wir zum Hinterteil des Schiffes gelangten. Ein Boot aber war nirgends, nirgends zu sehen. Jim sagte, er könne sich kaum noch aufrechthalten, so schlottern ihm die Knie, solche Angst habe er in seinem Leben noch nicht ausgestanden. Ach, du mein Himmel, mir ging's nicht viel besser, aber gesagt hätte ich nichts um alles in der Welt. Ich trieb ihn nur vorwärts und versicherte ihm, daß wir, wenn wir hier bleiben, zwischen den Wellen und den Kerlen da drinnen garstig in der Klemme säßen. Wir also wieder drauflos und weitergesucht! Immer vorwärts tastend, hatten wir schon beinahe den Teil erreicht, wo das Deck sich gegen die Wasserfläche gesenkt hatte, da – seh' ich einen dunklen Klumpen im schwarzen Schatten da drunten, und weiß Gott und wahrhaftig, es war ein Boot! Wie froh und dankbar atmeten wir auf! Eben wollten wir uns hinunterlassen, da öffnet sich dicht neben mir eine Luke, und ein Kopf erscheint. Es ist einer von den Kerlen! Daß er mich nicht gesehen, war das reine Wunder!
Er aber dreht den Kopf nach rückwärts und flüstert: »Tu doch die Laterne weg, die kann uns ja verraten!«
Er warf einen gefüllten Sack ins Boot, schwang sich selbst nach und setzte sich. Es war Jack. Dann kam Bill nachgekrochen und war auch schnell unten.
Wispert Jack: »Fertig – stoß ab!«
Ich konnte mich kaum mehr festhalten, so schwach wurde mir. Da flüsterte Bill: »Wart ein wenig. Hast du ihn auch noch einmal genau durchsucht, den Hund?«
»Nein – hast du's denn nicht getan?«
»Nein, Gott straf mich! Da hat der Kerl also noch seinen Teil an Barem in der Tasche!«
»Nun, dann aber geschwind zurück! – Es hat freilich keinen Wert, all den Kram fortzuschleppen und das Geld ihm zu lassen. Komm schnell!«
»Wird er denn aber nicht merken, was wir im Schilde führen?«
»Vielleicht – vielleicht auch nicht! Einerlei – haben müssen wir's, also vorwärts!«
So kletterten die Kerle wieder zurück und verschwanden.
Ob wir flink unten und im Boot drin waren! Mir schien's, als packe uns ein Wirbelwind! Messer raus, Leine durch – auf und los und davon, eh' einer Amen sagen konnte!
Wir rührten keine Ruder, verloren kein Wort, atmeten kaum. Lautlos glitten wir davon, totenstill, am Schiff entlang und waren in ein paar Minuten außer Hör-, Seh- und Schußweite, sahen das Wrack in der Dunkelheit verschwinden, waren gerettet – und dankten unserm Schöpfer.
Als wir ungefähr zwei- oder dreihundert Meter entfernt waren, sahen wir eine Laterne wie ein kleines Sternchen für einen Augenblick über dem Wasser aufblitzen; jetzt hatten die Kerle gewiß entdeckt, daß das Boot weg war
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