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Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Titel: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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zu führen, wo er gestern abend noch lebte.«
    Plötzlich schien unsern Alten alle Kraft zu verlassen, er fiel gegen den Mann, sank mit seinem Kinn auf dessen Schulter, und weinte ihm seine Tränen den Rücken hinunter.
    »Ach, ach«, stöhnte er, »unser armer Bruder – dahin, und wir durften ihn nicht wiedersehn; oh, das ist zu, zu hart!«
    Dann wandte er sich um – immer noch schluchzend – und machte allerlei unsinnige Zeichen, und da ließ auch der Herzog die Reisetasche fallen und brach in Tränen aus. Sie waren das niedergeschlagenste Paar, diese zwei Betrüger, das ich je gesehen habe.
    Die Männer umgaben und bemitleideten sie und sagten allerlei freundliche Worte, trugen ihre Reisetaschen den Hügel hinauf und blieben stehen, wenn König und Herzog vor Schluchzen nicht mehr weiterkonnten. Sie erzählten dem König alles über seines Bruders letzte Minuten, und der König wiederholte alles mit seinen Händen dem Herzog.
    In zwei Minuten wußte es die ganze Stadt, und das Volk kam herbeigerannt von allen Ecken und Enden. Bald waren wir von einer großen Menge umringt, die uns folgte. Fenster und Türen standen voll Menschen, und alle Augenblicke hörte man jemand über den Zaun rufen: »Sind sie's?«
    »Freilich, darauf könnt' ihr wetten!« lautete gewöhnlich die Antwort aus der mitlaufenden Menge.
    Als wir zum Hause kamen, war die Straße gedrängt voll Menschen, und die drei Mädchen standen in der Tür. Mary Jane war rothaarig, das schadete ihr aber nichts, denn sie war sonst so hübsch, und ihr Gesicht und ihre Augen waren wie verklärt – sie freute sich so, daß ihre Onkel gekommen waren. Der König breitete die Arme aus, und Mary sprang hinein, und die Hasenlippe sprang zum Herzog, und so hatten sie sich. Fast alle, wenigstens die Frauen, weinten vor Freude über dies Wiedersehn und die Freude der Beteiligten.
    Dann gab der König dem Herzog einen geheimen Wink – ich sah es –, schaute sich um und erblickte den Sarg in einer Ecke auf zwei Stühlen; dann legten die beiden je einen Arm einander auf die Schulter, bedeckten mit der andern Hand die Augen und schritten langsam und feierlich hinüber. Alle machten ihnen Platz, Gespräch und Geräusch hörten auf, und einige riefen »Sch!« Alle Männer nahmen die Hüte ab und senkten ihre Köpfe. Man hätte in dieser feierlichen Stille eine Stecknadel fallen hören können. Am Sarge angelangt, beugten sich die beiden darüber, warfen einen Blick hinein und fingen dann an so laut zu jammern, daß man sie fast in Orleans hätte hören können. Dann umarmten sie einander, und jeder hing sein Kinn über des andern Schulter, und drei, vielleicht auch vier Minuten lang ließen ihre Augen Wasser fließen wie ich's nie von zwei Männern gesehen habe. Und die andern machten es ihnen nach. Dann knieten sie auf den entgegengesetzten Seiten des Sarges nieder, legten ihre Köpfe darauf und taten, als ob sie im stillen beteten. Das alles machte einen mächtigen Eindruck auf die Versammlung, und alles sah sich von dem Schmerz der beiden hingerissen und schluchzte laut – die drei armen Mädchen auch, und fast jede Frau ging zu den Mädchen, ohne ein Wort zu sagen, küßte sie feierlich auf die Stirn, legte ihnen die Hand auf den Kopf, sah gen Himmel mit tränenvollen Augen, brach in lautes Schluchzen aus und trat dann beiseite, um der nächsten dieselbe Gelegenheit zu geben.
    Darauf trat der König etwas vorwärts und fing an, eine Rede hervorzuschluchzen, voller Tränen und Beteuerungen, was für eine schwere Prüfung für ihn und seinen armen Bruder der Verlust des Dahingeschiedenen sei, besonders da sie ihn nach der langen Reise von viertausend Meilen nicht mehr lebend finden konnten. Aber es sei eine Prüfung, versüßt und geheiligt durch dies schöne Mitgefühl, diese heiligen Tränen, und so danke er allen Anwesenden aus seinem und seines Bruders Herzen, denn mit ihrem Munde könnten sie es nicht, da Worte zu schwach und kalt wären. Und so jammervoll gings weiter, bis es einen anekeln konnte. Dann grölte er ein Amen heraus, und das Heulen ging wieder los.
    Kaum hatte er ausgeredet, so intonierte einer der Anwesenden das Ehre sei Gott in der Höhe , und alle fielen kräftig mit ein; das wärmte einem ordentlich das Herz. Musik ist doch ein herrliches Ding; zumal nach einer solchen Rührszene, wo alles so weich wie geschmolzene Butter wurde, wirkte der kernige und ehrliche Gesang ordentlich auffrischend.
    Dann setzte der König wieder seine Kinnlade in

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