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Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Titel: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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aber wenn er jetzt seinen neuen weißen Filzhut lüftete und sich mit einem Lächeln verbeugte, sah er so erhaben und gut und fromm aus, daß man hätte glauben können, er sei eben aus der Arche gestiegen und könne der alte Levitikus selbst sein.
    Jim reinigte das Kanu, und ich machte meine Ruder zurecht. Etwa drei Meilen oberhalb des Städtchens lag ein großes Dampfboot, das schon zwei Stunden dalag und Fracht einlud.
    Da sagte der König: »Zu meinem neuen Anzug würde es wohl besser passen, wenn ich von St. Louis, Cincinnati oder einer andern großen Stadt angereist käme. Also zum Dampfboot hin, Huckleberry; wir wollen auf ihm das Städtchen besuchen.«
    Eine Dampfschiffahrt zu machen, das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich gewann das Ufer eine halbe Meile oberhalb des Städtchens, und dann ging's leicht hinauf, dicht am Ufer im strömungslosen Wasser. Bald kamen wir zu einem netten, harmlos und sehr ländlich aussehenden jungen Burschen, der auf einem Sägeblock saß und sich den Schweiß von der Stirne wischte, denn es war arg warmes Wetter, und er hatte ein paar große Reisesäcke bei sich.
    »Fahr ans Land«, befahl der König. Ich tat's.
    »Wohin, mein junger Freund?« redete er den fremden Burschen an.
    »Zum Dampfboot; nach Orleans.«
    »Steig ein«, sagte der König. »Wart einen Augenblick, mein Diener wird dir bei den Säcken helfen. Spring 'raus und hilf dem Herrn, Adolfus«, ich merkte, daß er mich meinte.
    Nun, ich tat's, und wir drei fuhren weiter. Der junge Bursche war sehr dankbar und meinte, es sei eine harte Arbeit, bei solcher Hitze sein Gepäck zu tragen. Er fragte den König, wohin er ginge; der sagte, er sei den Fluß herabgekommen und früh morgens im andern Städtchen gelandet, und nun müsse er einige Meilen hinauf, um einen Freund auf seiner Farm zu besuchen.
    Der Junge sagte dann: »Als ich Sie zuerst sah, sagte ich zu mir selbst: ›Das ist sicherlich Mr. Wilks, und er kommt nicht mehr zur rechten Zeit.‹ Dann dachte ich aber: ›Nein, er kann's nicht sein, er würde nicht hier den Fluß heraufrudern.‹ Sie sind's doch nicht, was?«
    »Nein, mein Name ist Blodgett, Alexander Blodgett, Hochwürden Alexander Blodgett – ein Diener des Herrn. Indessen tut es mir doch aufrichtig leid, daß Herr Wilks nicht zur rechten Zeit eingetroffen ist, wenn er dadurch etwas versäumt hat, was ich nicht hoffen will.«
    »Nun, die Erbschaft geht ihm nicht verloren, die bekommt er sicher; aber seinen Bruder Peter wird er nun nicht mehr am Leben finden – für den Fall, daß ihm daran gelegen war, was ich nicht wissen kann. Soviel aber weiß ich gewiß, daß sein Bruder sehr viel darum gegeben hätte, ihn vor seinem Ende noch einmal zu sehen; er sprach von nichts anderem die letzten drei Wochen; seit der Knabenzeit hatten sie sich nicht wieder gesehen. Seinen jüngsten Bruder William – 's ist der Taubstumme, und jetzt erst dreißig bis fünfunddreißig alt – hat er überhaupt nie gesehen. Peter und George waren die einzigen hierzulande; George war verheiratet, aber er und seine Frau starben beide letztes Jahr. Nur Harry und William sind von den Brüdern noch übrig, und sie sind nun leider nicht zur rechten Zeit eingetroffen.«
    »Hat man ihnen denn geschrieben?«
    »O ja – vor ein bis zwei Monaten, als Peter erkrankte; denn er ahnte schon damals, daß es diesmal mit ihm zu Ende gehen würde. Wissen Sie, er war ziemlich alt und Georges Töchter waren zu jung, um ihm viel Gesellschaft zu leisten, außer Mary Jane, der Rothaarigen. So fühlte er sich recht einsam, nachdem George und seine Frau gestorben waren, und es lag ihm nichts mehr am Leben. Er sehnte sich schrecklich danach, Harry vor seinem Ende zu sehen und auch den William, denn er war einer von denen, die ungern ein Testament machen. So hinterließ er nur einen Brief für Harry, in dem er sagte, wo sein Geld versteckt sei und daß er den Rest seiner Habe so verteilt wünsche, daß Georges Mädchen ein Auskommen hätten; denn ihr Vater George hatte nichts hinterlassen. Zu einem richtigen Testament konnte man Peter Wilks nicht bringen; dieser Brief ist alles.«
    »Was meinst du, mag der Grund sein, daß Harry nicht kommt? Wo wohnt er?«
    »Oh, er wohnt in England, in Sheffield, predigt dort; er ist nie in diesem Land gewesen. Er mag wenig Zeit haben – und vielleicht hat er den Brief nicht einmal erhalten.«
    »Es ist recht traurig, daß Mr. Wilks nicht mehr erleben durfte, seinen Bruder zu sehen, arme Seele! – Du sagst, du

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