Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Titel: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
Vom Netzwerk:
– oder!«
    Nun war sie aber wie rasend. Wir alle duckten uns, zogen die Schultern ein und waren still wie die Mäuse, während sie wie ein Wirbelwind durchs Zimmer fuhr und bald hier, bald da etwas krachte und knackte. Ich sah mich schon nach einer Gelegenheit um, mich mit heiler Haut zu salvieren, als Onkel Silas plötzlich in die Tasche greift und mit der erstauntesten, ungläubigsten, dümmsten Miene von der Welt den Löffel vorzieht. Mitten im tollsten Redestrom blieb ihr der Mund offenstehen, und bei diesem Anblick wünschte ich mich nach Jerusalem oder sonstwohin.
    Aber bald ruft sie: »Grad' wie ich's dachte! Genauso wie ich's dachte! Hast du natürlich die ganze Zeit über den Löffel in deiner eignen Tasche und sagst kein Wort und läßt deine Frau sich bald tot ärgern. Ganz wie du bist! Vielleicht hast du die andern Sachen auch noch drin, wie? Sieh doch einmal nach! Wie ist er denn eigentlich hineingekommen?«
    »Das weiß ich wahrlich nicht, Sally, ich würd's dir doch gewiß sagen«, versetzt er, sich gleichsam entschuldigend. »Ich habe vor dem Frühstück meinen Text studiert für nächsten Sonntag und hab' mein Neues Testament auf dem Tisch gehabt, da hab' ich's gewiß verwechselt und den Löffel statt dessen in die Tasche gesteckt, denn wie ich jetzt merke, ist mein Testament nicht drin. Ich will einmal gehen und nachsehen; wenn's noch da liegt, wo ich's vor dem Frühstück hatte, dann ist's ganz sicher so, und ich hab's nur verwechselt.«
    »Herr, du mein Gott, kannst du nicht schweigen? Du machst einen ja halb tot mit deinem Geschwätz! Jetzt macht, daß ihr wegkommt, alle miteinander, marsch, fort, und kommt mir nicht wieder zu nahe, bis ich mich erholt habe, hört ihr? Ich rat's euch im Guten!«
    Ich hätt' sie verstanden, und wenn sie's nur geflüstert, nur zu sich selbst gesagt, es nur gedacht hätte! Und ich hätt' ihr gehorcht, wenn ich tot und begraben gewesen wäre! Keiner war so flink wie ich, und als wir durchs Wohnzimmer kamen, stand dort der alte Mann und nahm gerade seinen Hut vom Nagel und setzte ihn auf. Der Nagel fiel zu Boden, und er bückte sich ganz matt danach und hob ihn auf, ohne ein Wort zu verlieren, legte ihn auf den Tisch und ging hinaus.
    Tom hatte zugesehen, dachte an den Löffel und meinte: »Mit dem schicken wir lieber nichts mehr, auf den ist kein Verlaß! Mit dem Löffel aber hat er uns einen Dienst erwiesen, ohne es zu wollen, und das werden wir ihm vergelten, ohne daß er es weiß, und ihm seine Rattenlöcher zustopfen, der bringt's doch nie zustande!«
    Gesagt, getan! Es waren gerade genug drunten im Keller; wir hatten eine ganze Stunde damit zu tun, danach war's aber auch getan, gut und fest und dauerhaft, und 's sollte den Ratten schon schwer werden, durchzubrennen! Auf einmal hören wir Schritte auf der Treppe, blasen unser Licht aus, verstecken uns, und da kommt der alte Mann mit einem Licht in der einen Hand und mit einem Pack in der andern und sieht so abwesend aus wie das Jahr, das vorm letzten vergangen. Träumerisch schleicht er an jedes Loch, fingert ein bißchen dran herum, stopft ein bißchen was hinein, und fertig ist er. Lange steht er dann und schaut ins Licht, pickt den abgeflossenen Talg weg und denkt über was nach. Dann wendet' er sich langsam der Treppe zu und flüstert vor sich hin: »Ich mag mir den Kopf zerbrechen, wie ich will, und kann mich doch nicht besinnen, wann ich's getan habe. Aber zugestopft sind die Löcher, und ich könnt' ihr jetzt beweisen, daß ich nicht schuld an den Ratten bin! Doch was liegt dran, ich laß es gut sein. Es würde doch nichts helfen!«
    Und so kriecht er murmelnd und schleppenden Ganges die Treppe hinauf, und wir leise hinterdrein. Es war wirklich ein guter alter Mann und ist's immer noch!
    Tom war sehr in Verlegenheit, was er wegen des Löffels tun solle; wir müßten jedenfalls einen haben. Als er sich's überlegt hatte, sagte er mir seinen Plan. Wir gingen dann ins Zimmer, drückten uns um den Löffelkorb herum, bis wir Tante Sally kommen sahen, und dann nahm Tom die Löffel heraus, legte sie neben den Korb und begann sie zu zählen, während ich einen davon in meinen Ärmel verschwinden lasse. Plötzlich ruft er: »Na, aber Tante Sally, es sind ja noch immer nur neun Löffel, sieh doch mal!«
    Sie fährt ihn an: »Mach, daß du weiterkommst, spielt etwas und laßt mich in Ruhe. Ich weiß es besser, ich hab' sie ja vorhin selbst gezählt!«
    »Na, ich hab' sie eben zweimal gezählt, Tantchen, und ich

Weitere Kostenlose Bücher