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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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seelischen Schäden zurückbehalten.» Ich zerpflückte ein Weißbrotscheibchen.
    «Du weißt, dass der Spätdienst in der Kita asozial ist!» Dorit hegte hinsichtlich der Betreuung ihrer Tochter Exzellenzvorstellungen, an denen gemessen sich der Beschäftigungsplan eines kommunalen Kindergartens wie behördlich geduldete Verwahrlosung ausnahm. Dass ich ihre Tochter heute aber auch noch in die Mundarthölle der schnauzbärtigen Kastenweiber von der Spätschicht, feisten Kinderscheuchen eines irgendwie dritten Geschlechts, hatte einfahren lassen, war unentschuldbar, und sie wollte es «auswerten».
    «Ich war auch immer der Letzte im Kindergarten.»
    «Schlimm für dich, aber noch lange keine Grund, Mascha verkümmern zu lassen. Irgendwann ist die eigene Kindheit keine Ausrede mehr.»
    Ich entschied mich für ein zweites Weißbrotscheibchen.
    «Ich würde mir wünschen, dass du als Vater mehr Verantwortung übernimmst», lehnte sich Dorit nach vorn, «spiel mal mit Mascha, geh mit ihr auf der Wiese toben, bring ihr das Fahrradfahren bei. Du sprichst doch die ganze Zeit davon, dass du mehr für deine Fitness tun willst. Da kannst du gleich zwei Menschen glücklich machen. Deine Tochter und dich.»
    Ich hatte den Weißbrotkorb leer gefressen und begann das Besteck mit der Serviette zu polieren. Dorit hatte geendigtund sah mich befriedigt mit leicht hochgezogenen Augenbrauen an. Sie hatte recht. Sie hatte so sehr recht, dass ich erwartete, andere Gäste würden sich leise beim Kellner nach ihrem Namen erkundigen und ihr dann kleine weiße Karten mit einem einfachen «Danke!» zustecken lassen. Aber ich hatte keine Lust, mit meiner Tochter zu spielen, nur um meiner Frau zu zeigen, dass ich mit meiner Tochter spiele, wie sie es mir gesagt hatte. Das war so unsouverän. «Wenn es sich ergibt, ergibt es sich», erwiderte ich mau.
    «So denkst du! Genau so denkst du nämlich, mein Lieber!», zeigte Dorit mit ihrem perfekt manikürten Finger auf mich.
    «Aha», stellte ich fest, «du kannst also meine Gedanken lesen!»
    Ich war auf die therapeutische Ebene gewechselt. Und zwar als Erster. Nicht schlecht. Anstatt auf ihre Anschuldigung einzugehen, sah ich mir die Anschuldigung von oben an, und siehe, sie war formal nicht in Ordnung. Der Angeklagte entpuppte sich als der Richter. König Löwenherz war zurück. Aber ich ahnte bereits, dass es ein kurzer Triumph sein würde. Dorit war definitiv nicht die Frau, die sich von therapeutischen Reflexionskünsten verunsichern ließ.
    «Ich würde liebend gerne   …»
    Wir schwiegen, abrupt freundlich lächelnd, weil der Kellner mit dem Wein kam. Ich erhob das Glas mit dem Probeschlückchen, prostete Dorit förmlich und zackig zu und zutschte und gurgelte und fletschte die Zähne, blubberte und schäumte, schob den Wein etliche Male zwischen Pausbacken hin und her, bis nur noch bitterer Schaum in meinem Mund war, rollte bedeutend mit den Augen und gab dann dem Kellner nur knapp befriedigt das Zeichen, denWein einzuschenken. Dorit gähnte theatralisch und nahm den Faden wieder auf. «Ich würde darauf verzichten, deine Gedanken lesen zu wollen, wenn du mal dein väterliches Versagen in Ich-Botschaften kommunizieren würdest.»
    «Ich würde gerne in Ich-Botschaften kommunizieren, wenn du mir nicht immer das Gefühl geben würdest   …»
    «Immer und nie sind Verallgemeinerungen.»
    «Wenn du mir nicht das Gefühl geben   …»
    «Ich gebe dir keine Gefühle. Ich bin nicht die Gefühlsausgabestelle!»
    «Du hörst mir überhaupt nicht zu   …»
    «Du sagst ja nichts. Du redest nur.»
    «Das ist doch die Höhe. Ich versuche, dir den Kontext meiner Auffassung zu erläutern, weshalb ich das Spielen mit meiner Tochter in einen Rahmen situativer Spontanität einbetten möchte, und du   …»
    «Blablabla. Worte, Worte, nichts als Worte!»
    «Dann sag ich eben nix mehr.»
    «So bist du. Erst schwatzen, dann schmollen. Das ist so unreif.»
    Ich wollte immer eine lebenstüchtige, kluge und schlagfertige Frau. Warum eigentlich? Als Kontrast? Als Sport? Damit es mir nicht zu gut geht? Eigentlich wäre es jetzt ratsam gewesen, die emotionale, die «authentische» Karte zu spielen. (Dorit, solche Herabminderungen verletzen mich. Ist es wirklich das, was wir unter Liebe verstehen wollen   …), aber ich hatte irgendwie keine Kraft mehr, sanft zu sein, und eine Abkürzung drängte sich mir auf wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Ach, fick dich doch selbst! Du kannst mich mal mit deinem

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