Hulamädchen auf Abwegen
den Mayes getragen hatte. Der Chinese war zwischen dreißig und
vierzig Jahre alt — etwa. Das Dumme ist, daß ich mich bei Asiaten immer
fürchterlich verschätze. Er hatte äußerst wachsame, dunkle Augen, denen man
einen gewissen Grad an Intelligenz nicht absprechen konnte. Vermutlich,
überlegte ich mir, war er einer der Söhne von Charlie Chan, vielleicht der
sechsundzwanzigste. Jedenfalls schien mir das eine durchaus ansprechende Zahl
zu sein.
»Sie wünschen?« erkundigte sich
Larsen kurz angebunden.
»Vielleicht läge ein Gin-Tonic
im Bereich des Möglichen?« entgegnete ich hoffnungsvoll. »Aber wenn Sie
wünschen, trinke ich auch das gleiche, was Sie trinken. Ich bin nicht
wählerisch.«
»Wirklich fesch«, versetzte
Virginia verächtlich. »Es geht doch nichts über fesche Leute. Ich bin
nachgerade verrückt nach ihnen. Sie mimen anfangs den perfekten Gentleman, um
einem am Schluß Schuhbänder oder sonst was zu verkaufen.«
Nur der Chinese sagte kein
Wort. Er saß da und machte auf unergründlich — oder was immer man darunter
verstehen mochte.
»Mein Name ist Boyd«, erklärte
ich zuvorkommend. »Danny Boyd.« Um nicht gar so bloß dazustehen, holte ich zur
Bekräftigung eine Visitenkarte aus meiner Brieftasche und warf sie großzügigerweise auf den Tisch — zur allgemeinen Ansicht.
»Boyd Enterprises« stand darauf, mit Angabe meiner New Yorker Adresse. Aber
meine gute Absicht schien bei dem reizenden Trio keinen besonderen Eindruck zu
hinterlassen.
»Und was, bitte, möchten Sie
von uns?« fragte Larsen irritiert.
Unschuldsvoll zuckte ich die
Achseln. »Ich liebe Konversation. Nette, gemütliche Konversation«, antwortete
ich beflissen.
»Mit kleinen, intimen Einlagen
und so. Jedenfalls scheint das ein gewisser Herr, den Sie ebenfalls kennen
dürften, auch zu wollen. Ein Mr. Emerson Reid.« Eine Sekunde lang sah ich
Virginia Reid prüfend an. »Oder haben Sie ihn schon vergessen, Ihren Ehemann?«
3
Sie starrte ein zweites Mal
meine Visitenkarte an und sagte hochmütig: »>Boyd EnterprisesAusgerechnet. Wesentlich besser würde >Boyd Schnüffel GmbH< passen.«
»Ganz recht«, gab ich zu. »Ich
habe eine Lizenz als Privatdetektiv. Aber das geht so nebenbei. Im Grund bin
ich wirklich ein sehr unternehmender Geist — daher >Enterprises<. Aber
wenn Sie mir keinen Glauben schenken, können Sie mich doch einmal abends
ausführen, anschließend mit nach Hause nehmen und es dann ausprobieren. Ich bin
so von Herzen unternehmend.«
»Schluß jetzt!« fuhr Larsen
dazwischen. Die Stimmung war merklich abgekühlt, wie ich zu meinem Bedauern
feststellen mußte.
»Ich glaube kaum, daß wir irgend etwas Gemeinsames zu besprechen haben«, fuhr Larsen
fort. »Verschwinden Sie, solange Sie noch dazu imstande sind!«
»Ach, das Meer hat doch seine
Reize«, sagte ich voll Bewunderung, »solange es solch prächtige Typen wie Sie
hervorbringt: kampfbereit, unumwunden und unehrlich.«
Eine tiefe Röte überzog sein
sonnengebräuntes Gesicht. Er wollte zu einer heftigen Entgegnung ansetzen,
jedoch ich ließ ihn gar nicht erst dazu kommen.
»Die Sache ist die«, fuhr ich
schnell fort, »daß Mr. Reid mir eine ganze Menge Aufträge erteilt hat, die zum
Teil streng vertraulich sind.« Dabei schielte ich vielsagend zu dem Chinesen
hinüber. »Außerdem bin ich im Grunde viel zu wohlerzogen, um eine Party zu
sprengen. Andererseits weiß ich natürlich nicht, ob es Ihnen recht ist, wenn
Ihr Freund alles mitbekommt.«
»Wir haben keine Geheimnisse
vor Kayo «, bemerkte Larsen kühl. »Aber was Sie uns zu
sagen haben, servieren Sie uns bitte mundgerecht. Wir haben so entsetzlich
zivilisierte Magen. Andernfalls fliegen Sie in hohem Bogen durch dieses
bezaubernde Fenster hinaus!«
Der Name des Chinesen
interessierte mich. » Kayo ?« erkundigte ich mich
deshalb höflich.
» Kayo Choy «, antwortete der Chinese in vorzüglichem
Englisch. Er lächelte liebenswürdig. »Mein Vater...«
»Bitte teilen Sie uns mit, was
man Ihnen aufgetragen hat«, unterbrach Larsen ungehalten, »und dann
verschwinden Sie endlich und kümmern sich um Ihr Honorar.«
»Schön«, meinte ich gutmütig.
»Wenn Sie darauf bestehen.« Ich hatte den Eindruck, als habe etwas von Choys Höflichkeit auf mich abgefärbt, wenn auch nicht allzu
intensiv. »Also folgendermaßen verhält sich die Situation, wie Emerson Reid sie
sieht: Seine Frau brennt ihm mit dem Kapitän seiner Jacht durch, ohne sich von
ihm zu verabschieden. Nun
Weitere Kostenlose Bücher