Hund aufs Herz
Kümmerling! Er hat ja keine Afterkrallen! Und wieder feiert der Unsinn fröhliche Urständ. Zur Abwechslung wird dieser Hund auch disqualifiziert, wenn er eine kupierte Rute hat. An und für sich ja löblich, obwohl sich – soweit ich weiß – abgeschnittene Schwänze nicht vererben.
Wenn aber ein Französischer Bulldog mit Afterkrallen geboren wird, dann ist seine Karriere zu Ende, bevor sie beginnen konnte: absoluter Disqualifizierungsgrund! Dafür ist er aber «wie ein Faß bereift, sehr abgerundet», denn «es ist wesentlich, für die Brustorgane einen geräumigen Platz zu finden», und deshalb hat er eine «walzenförmig herabgezogene Brust» zu haben. Wo, um Himmels willen, bleiben die «Brustorgane» bei den Windhunden? Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man Tränen lachen.
Ich bin erst bei Buchstabe B und merke, hier ist Stoff für ein dickes Buch, voll des blühenden Unfugs.
Irgendwann muß es ja wohl angefangen haben. Irgendwann hat ein Richter einen weißen Hund angefaßt und hatte die Hände voll Kreide. Oder voll Fett. Oder mit Spray verkleistert oder mit Haarfestiger. Oder mit allem zusammen. Und dann hat dieser Richter nicht etwa den Aussteller mit ausgestrecktem Zeigefinger aus dem Ring gewiesen, sondern dem Besitzer vielleicht ein Auge gekniffen und den Hund erfreulich benotet.
So oder so ähnlich muß es gewesen sein, und von da an hatten es die meisten langhaarigen Hunde bitter schwer. Ein Kurzhaariger sollte infolge seines guten Gesundheitszustandes glänzen, aber wenn nicht, kann ihm nicht viel mehr passieren, als daß er mit irgendwas gewissermaßen aufpoliert wird.
Dagegen die armen Yorkshire, Malteser, Löwchen, Pekinesen, Afghanen, West Highland, Fox und Airedale Terrier, die Bobtails und Bedlingtons und – allen voran – die Pudel: Was müssen diese armen Hunde ausstehen, gepeitscht vom milden bis rasenden Irrsinn ihrer Besitzer und Züchter, geduldet und prämiert von Richtern und Ausstellungsleitern.
Da wird gefönt und gewickelt und gewirbelt, gestrählt und geschnippelt, rasiert und geschmiert und garniert. Und gelogen und betrogen.
Ein leicht überbauter Bobtail soll wohl sein. Das heißt, die Kruppe soll etwas höher sein als der Widerrist. Bei den meisten ist das aber nicht so. Also kam irgendwann irgendein Pfiffikus auf die Idee, ab Rückenmitte das lange Haarkleid nach hinten zu toupieren. Und nun sehen alle Bobtails aus wie dicke Frauchen mit hochgebundenen Röcken. Die Yorkis sind beinlos geworden und schweben nach langer Haarwickeltortur auf ihren metallblauen Vorhanghaaren einher.
Die Bedlingtons, eine sehr «griffige Rasse», macht der Friseur zu Lämmern mit Rückgratverkrümmung. Dem Bichon-Löwchen hat man die kälteempfindlichen Hinterteile kahl geschoren. Die rauhhaarigen Terrier wirken wie aus Holz geschnitzt, und den «Westis» wird ihr abhanden gekommenes «Ziegenhaar» mit Hilfe von Vaseline und Kreide wiederhergestellt. Kreidewolken auch bei den weißen Bulldogs und Bull Terriern. Als der Westhighland White Terrier explosionsartig Mode wurde, schnippelte man sein pfiffiges Gesichtchen zum «Chrysanthemenkopf» und begann, ihn zu verzwergen. Weiß der Teufel, was da heimlich, heimlich eingekreuzt wurde, von Maltesern wird gemunkelt – wäre ja auch naheliegend –, jedenfalls verlor der «Westi» aus geheimnisvollen Gründen weitgehend seine schöne harte Behaarung, die man sich nun genötigt sieht, mit dieser Ekelpackung – siehe oben –wiederherzustellen.
Von all dem Gefummel steht natürlich nichts in irgendeinem Standard. Außer beim Pudel. Der darf nur in drei Frisuren ausgestellt werden: klassische Schur, moderne Schur und der sogenannte «English Saddle Clip». Bei letzterem wird dieser kluge und freundliche Hund erbarmungslos zum Idioten frisiert, teils nackt, teils mit hochtoupierten Pompons hier und nochwo. Nierengegend, After und Genital bleiben kahl. Gerade dort braucht der Hund Wärme. Ein grauenvoller Anblick! Eine Schande für alle mit dem Hund befaßten offiziellen Gremien und Verbände! Eine Tortur, diese tagelange, stets wiederholungsbedürftige Prozedur der Herstellung dieser Buchsbaumhecke von einem Hund. Man darf seinen Pudel allerdings in jeder Form ausstellen, bekommt dann aber keine offizielle Auszeichnung, und damit ist der Hund praktisch raus aus der Zucht. Prämiert wird hier kein Hund, sondern sein Friseur; und Besitzer, die ihren Hund nicht verdient haben.
Was also bewirkt der Standard, was kann er verhindern? Er
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