Hund aufs Herz
bewirkt nichts Gutes und verhindert nichts Böses und Blödes. Denn das, was beherzigt werden sollte, weil es der Rasse guttäte, wird ignoriert. Auf das Unwichtige oder Schädliche wird penibel geachtet. Das Überflüssige, Affige, Eitle wird geduldet, wenn nicht sogar gefördert. Seltene Ausnahmen bestätigen die betrübliche Regel.
(Übrigens: beim Pudel führen Afterklauen erbarmungslos zur Disqualifikation.)
Alles klar!
Nee! Wieso?
Haufenweise Konflikte
Es ist schon eine Weile her, da wurde ich zu einem «Symposion» in Hessens Hauptstadt gebeten. Nein: nicht Frankfurt, das dachte ich auch, aber Frankfurt ist nur Hessens Wirtschaftsmetropole, Wiesbaden aber ist die Hauptstadt, denn direkt nebenan liegt Mainz, und dort hat das ZDF seinen Hauptsitz.
Ein Symposion war ursprünglich ein Trinkgelage mit Musik und Tanz sowie heiteren und ernsten Gesprächen, bei Griechen und Römern einst sehr beliebt.
Heute nennt man so eine wissenschaftliche Tagung mit Vorträgen und Diskussionen. Es ist also sehr auf den Hund gekommen, das Symposion.
Womit wir beim Thema wären. Es ging bei diesem Treffen mit Würdenträgern aus Regierung und Wirtschaft nämlich nicht um den verreckenden Straßenverkehr, ums Ozonloch oder krebserregende Gifte in Luft und Wasser, auch die Dauerbedrohung aller Menschen durch Atomkraftwerke stand nicht zur Debatte, geschweige denn die brennende Frage, warum sich Menschen grundsätzlich und ohne jeden Grund, aber an nahezu jedem Ort die Schädel einschlagen – nein, in Wiesbaden ging es ausschließlich um Scheiße. Und zwar um Hundescheiße, deren Vorkommen auf Straßen und Plätzen eine derartige Empörung bei der deutschen Bevölkerung auslöst – und das über Jahrzehnte –, daß für unwahrscheinlich, ja beleidigend gehalten werden muß, was doch wahr ist: Auch Menschen bleibt nichts anderes übrig, als das, was übrigbleibt, hinter sich zu lassen. Und allem, was da kreucht und fleucht, geht es nicht anders.
Der Mensch aber ist dem unerschütterlichen Irrtum verfallen, er sei was Besonderes, und investiert, sofern er zivilisiert in Klumpen lebt, Milliarden in die Beseitigung seiner Hinterlassenschaften, weil man ihm beigebracht hat, daß die Ergebnisse seiner lebenserhaltenden Verdauungsvorgänge etwas Obszönes sind und vertuscht werden müssen wie sein Sexualleben. Motto: Jeder tut’s, aber ist das nicht furchtbar?
Haufenweise Konflikte
Hunde nun empfinden da schlichter und sind intelligent genug, sich ihrer Notwendigkeiten nicht zu schämen. Das Problem ist: Sie leben mit uns, dürfen und können aber keine Toilette benutzen, halten ihre und ihrer Menschen Heimstätten rein und tun’s, wenn sie ins Freie kommen – was bleibt ihnen übrig? Sie haben gewiß nicht dazu beigetragen, «das Freie» mit Asphalt, Beton und Steinen zuzuschütten, würden gerne diskret ihren Obulus dort absetzen, wo er düngende Funktionen erfüllt, in Wald und Flur eben, aber die meisten Menschen mit Hund leben nicht mehr auf der grünen Wiese, sondern in der selbstgeschaffenen grauen Wüste.
Die Hunde scheißen drauf, und das nimmt der hundelose Teil der Menschheit übel. Wieder mal breitet sich Haß aus, der einzigen Verunreinigung wegen, die von selbst und folgenlos vergeht.
Ozonloch? Ich kenne keinen, der eins gesehen hat! –
Raucherkrebs? Denken Sie mal an Churchill! – Atomare Verstrahlung? Na, wenn die da auch so popelige AKWs bauen! Bei uns doch nicht! – Mord, Folter, Totschlag, überall auf der Welt? Die Medien übertreiben maßlos. Sogar die Bilder vom Golfkrieg sollen ja getürkt sein!
Aber Hundescheiße: Ja, das ist nun wirklich ein Skandal, man sollte alle Köter vergiften und die Besitzer dazu! Letzteres ist ein Originalton aus jener Wiesbadener Veranstaltung, nachdem ich in meinem Eingangsreferat versucht hatte, die hier aufgezeigten Prioritäten zu setzen.
Der Mensch, ein phantasiebegabtes Wesen? Doch wohl eher selten. Was ihn nicht unmittelbar am Arsch hat, kann er sich in der Regel nicht vorstellen. Siebentausend Verkehrstote pro anno lassen ihn cool, aber Hundedreck am Schuh, da kommt die gelbe Wut auf.
Ich beendete mein von allerlei Mißfallens- und Beifallsäußerungen begleitetes Referat mit dem Hinweis auf praktikable Methoden der Straßenkotbeseitigung in europäischen Nachbarländern, wo zum Beispiel städtische Motorradfahrer mit staubsaugerartigen Geräten erfolgreich hantieren, wies auf die beträchtlichen Einnahmen aus der Hundesteuer hin, die solches auch bei uns
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