Hund aufs Herz

größere, schwerere oder kleinere, leichtere Typ war aber gerade in Mode und also gut verkäuflich.
    An dieser Stelle ist Zeit für die obligatorische Erklärung, daß es natürlich auch Richter gibt, die sich von nichts und niemandem beeinflussen lassen, keine Rücksicht nehmen auf kommerzielle Gesichtspunkte und sich nach Kräften ihr Leben lang kundig gemacht und weitergebildet haben. Solche Richter also gibt es auch. Ich bezweifle nur, daß sie es lange bleiben.
    Was aber kann denn nun der gute, kundige Richter sehen im Gegensatz zu seinen – sagen wir – minderen Kollegen? Auch nicht viel. Vielleicht sieht er ja eine Kniegelenkluxation, durchgedrückte Vorderfußgelenke, ein Ektropium – (zu bemängeln nur, wenn es nicht, wie beim Basset und Mastino Napoletano, zum Standard gehört). Eine Hüftgelenksdysplasie sieht er nicht, die Schmerzen kann man dem Hund kurzzeitig wegspritzen, und der kann dann erst nach der Ausstellung wieder nicht laufen. Und: Kann er sehen, daß der hochdekorierte Zuchtrüde vielleicht einen der schwersten und dominant vererbten Defekte hat? Zum Beispiel Impotenz? Das nun hätte katastrophale Folgen für die Rasse: ob der Reiter nun aufs Roß kommt oder nicht – da kann nämlich nachgeholfen werden. Die Hündinnenbesitzer wollen nun mal Nachzucht vom Europa- oder Weltsieger, der stolze Besitzer des gekrönten Windeis will die Deckgebühren, und so wird das Ejakulat eben entnommen und der vergewaltigten Hündin injiziert. Tableau! Es folgt eine herrliche Zeit deckunfähiger Rüden dieser Rasse. Unter Umständen über ganz Europa verteilt.
    Nun, meine Damen und Herren – und wieder wissen Sie, daß ich die Wahrheit sage –: Diese Hundeausstellungen – welcher Couleur auch immer – sind ein Jahrmarkt der Eitelkeit, menschlicher Eitelkeit. Eine Stätte zerschlagener, wilder Hoffnungen und enttäuschter Erwartungen. Ich habe hysterische Ausbrüche erlebt und Beschimpfungen seitens der Nichtdekorierten. Und ich habe auch lächelnde Gelassene erlebt, die den ganzen Rummel durchschaut hatten.
    Die kommen dann mit ihren sicher sehr «wesensstarken» Hunden nicht mehr wieder. (Die völlig Gelassenen sind mit ihren ganz gelassenen Hunden gar nicht erst erschienen.) Da schlummert also ein großes Potential womöglich erstklassiger Hunde, deren Besitzer sich aus guten Gründen verweigern.
    Bleibt die Frage: Wozu das ganze Ausstellungsunwesen? Nun, da sind die Meldegebühren, die Eintrittsgelder, die zahlreichen Firmen, die ihre Produkte rund um den Hund in angemieteten Kiosken anbieten, die Würstchenbuden und Gaststätten; was es eben so alles gibt. Auf einem Jahrmarkt.
    Auf Jahrmärkte gehe ich schon lange nicht mehr. Jeder weiß doch: Man wird dort beschummelt von allen Seiten. Und die Schummler wissen, daß der Beschummelte das weiß. Und der Beschummelte weiß, daß die Schummler wissen, daß der Beschummelte weiß, daß er beschummelt wird. Und so frage ich mich: Was soll ich da?
    Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen, daß Sie mir zugehört haben. Ich wünsche Ihnen, mir und allen Freunden unserer Hunde, sie mögen ewig leben. Solange das eben dauert.

Bildquellen
    Seite 3: Grafik Klaus Ensikat
    Seite 9: Deutscher Schäferhund: ©Jill Freedman,
    Matrix International; Focus
    Seite 34: Übergroßer Mischling:
    © Bernd C. Moeller; Focus
    Seite 40: Skye Terrier: © Bernd C. Moeller; Focus
    Seite41: Eurasier: © Bernd C. Moeller; Focus
    Seite42: Puli: © Bernd C. Moeller; Focus
    Seite 44: Französische Bulldogge:
    © Bernd C. Moeller; Focus
    Seite45: PON: © Bernd C. Moeller; Focus
    Seite48: Mittelschnauzer: © Bernd C. Moeller; Focus
    Seite49: American Cocker Spaniel:
    © Bernd C. Moeller; Focus
    Seite 52: Dobermann-Mischling:
    © 1988 Jill Freedman, Matrix International;
    Focus
    Seite 55: American Staffordshire Terrier:
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    Seite 58: Staffordshire Terrier:
    © Dieter Lüttgen, Hamburg
    Seite 60: Chinese Crested Dog: © Bruce De Lis,
    Picture Group; Focus
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    Focus
     
    Seite 62: Komondor: © Elliott Erwitt,
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    Magnum Photos; Focus
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