Hunde Jahrbuch
sie Bessi, aber Bessi konnte sie auch reanimieren, wenn sie sie brauchte. Brauchen. Wen aus diesem fetten Adressbuch brauchte Mona? Durfte sie im Rahmen ihrer ethischen Ideale ihr Adressbuch und brauchen überhaupt in einem Satz nennen? Sollte sie zwei Adressbücher führen? Eines fürs Business und eines privat? Und wo war die Grenze? Durfte man sich privat brauchen? Oder meinte sie mit brauchen gebrauchen können? War Monas Adressbuch eine Cholesterindeponie? Unsere Mona Hilgenberger ist nach langem Kampf tragisch und von uns allen unbemerkt innerlich und äußerlich an Freundschaft verschieden …
Es waren nicht nur die Vronis, die alte Garde sozusagen, die zum Glück nicht mehr in der Stadt wohnten. Hatten alle weggeheiratet, da konnte Mona sich nicht beschweren. Hatten auch alle Kinder bekommen und waren deshalb ziemlich beschäftigt, derzeit mit ihren Scheidungen. Es waren eher die von irgendwo aus der Welt und ihre sporadischen Besuche. Dazu jene, mit denen sie bekannt war, die sie gelegentlich traf. Dagegen war nichts einzuwenden, so lautete die Spielregel: sich gelegentlich melden, telefonieren, mal ein Kärtchen aus dem Urlaub und ab und an ein persönliches Treffen. Wenn nun aber ein solches Treffen in eine Woche fiel, wo schon eine Vroni und eine Durchreise angekündigt waren, und dann vielleicht noch einer der fixen Termine, die wirklich wichtig waren – waren sie das? Musste sie ihre beste Freundin Andrea tatsächlich einmal in der Woche sehen? Gut, sie hatten es manchmal ausfallen lassen, aber im Prinzip galt einmal die Woche, wenn auch nur auf zwei Stunden. War das nötig? Und wenn sie es bei Andrea schon bedachte, dann sollte sie es erst recht bei Melanie und den anderen bedenken. Die traf sie alle drei bis vier Wochen, war das nötig?
Außerdem brauchte sie Zeit zum Schwimmen und für das Fitnessstudio und donnerstags Yoga und einmal in der Woche wollte sie verdammt noch mal zu Hause sein. Ein bisschen rumputzen, ein bisschen fernsehen, vielleicht alte Briefe sortieren oder die Blätter der Palmen polieren. Wenn ich all diese Menschen nicht mehr treffen müsste, dachte Mona, ... ich muss sie ja nicht treffen, dann könnte ich öfter zu Hause sein. Mit dem Hund spazieren gehen, dafür habe ich ihn mir doch angeschafft. Endlich mit dem Rauchen aufhören, weil ich nicht mehr in Kneipen rumhängen muss. Ich könnte lesen und mich bilden, Italienisch lernen. Ich könnte mehr Geld verdienen und zwar spielend. Ich könnte öfter in den Urlaub fahren, weil ich nicht dauernd Termine hätte, die meine Urlaubsplanung stören. Was würde mir fehlen? Mona seifte sich ein. Mit der Vanillelotion, ein Geschenk von Sonja. Die Vanillelotion könnte sie sich auch selbst kaufen, würde sie aber nicht, da sie Vanille nicht mochte.
Mona schlug auf den Hebel der Dusche, ging, ohne sich abzutrocknen, ins Wohnzimmer, nahm das Adressbuch zur Hand, warf es neben Lunas Fressnapf zu Boden und ließ sich ein Orangenblütenbad einlaufen.
Borek
Stania Jepsen
Es kostete sehr viel Mühe, eine Bescheinigung von der Polizei zu bekommen, damit man sich in der Grenzsperrzone aufhalten durfte – damals, in den Jahren tiefster kommunistischer Diktatur in der Tschechoslowakei.
Ich bekam die Erlaubnis als unbescholtener Bürger und konnte meinen Onkel in den Ferien besuchen. Ich wohnte in der Stadt, in Prag, und brauchte Landluft. Er hatte seinen Bauernhof in der Grenzsperrzone. Unzählige Kontrollen musste ich passieren und mühsame Fahrverbindungen, auch zu Fuß, auf mich nehmen, bis ich endlich auf Onkels Bauernhof ankam.
Unser Wiedersehen war sehr herzlich. Abends ging ich wegen der Strapazen früh ins Bett.
Am nächsten Tag fuhr die ganze Familie früh morgens aufs Feld und ich blieb zurück auf dem Hof, zusammen mit einem ausgiebigen Frühstück und dem Hund meines Onkels. Es war ein herrlicher, warmer Sommer, wie geschaffen für meine Erholung. Meine einzigen Aufgaben bestanden darin, in der frischen Luft zu spazieren, gut zu essen und lange zu schlafen.
Schon beim ersten Frühstück schloss ich Freundschaft mit dem Hund. Er war ein liebes Schmusekerlchen, sah aus wie eine Münsterländer-Bernhardiner-Kreuzung und brachte fast fünfzig Kilo auf die Waage. Es stellte sich bald heraus, dass er sehr aufmerksam und klug war. Wir durchstreiften gemeinsam die Umgebung. Es waren sehr schöne Tage mit Borek, so hieß dieser große, starke Kerl. Ich war so mager, dass es leicht für mich war, auf ihm zu reiten. Dann
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