Hundediebe kennen keine Gnade
den
ästigen Haken vom Stamm des Ahornbaums zu brechen. Er streichelte das Hündchen.
Der Kleine winselte dankbar, konnte sich aber nicht rühren. Tarzan zog ihn
hervor und nahm ihn auf die Arme. Er hielt ihn so behutsam wie man ein Baby
trägt. Der Pudel leckte ihm die Finger. Dann schloß er die Augen.
Es mußte ein junges Tier sein,
höchstens zweijährig.
Tarzan lief zurück.
„Was... was... Ist er... Lebt er?“ rief
Gaby, die blaß wurde bis in den Pullover hinein.
Sofort war sie neben Tarzan und griff
nach dem Hund.
„Laß ihn mir. Er ist völlig
verschmutzt. Ja, er lebt. Aber — siehst ja! Ist wahrscheinlich hier
rumgestreunt. Mit dem Halsband hat er sich an einem Ast verhakt. Er saß fest.
Wäre der Ast ein paar Zentimeter höher gewesen, hätte sich der kleine Kerl mit
seinem Halsband erdrosselt. Er muß dort schon tagelang liegen.“
Gaby streichelte ihn. Plötzlich hatte
sie Tränen in den Augen. Das Schicksal des kleinen Pudels ging ihr nahe. Jeder,
der Gaby kannte, wußte, daß sie Tiere liebte, besonders Hunde.
Klößchen kraulte den Pudel am Bauch.
Karl befühlte vorsichtig die Rippen
unter dem lockigen Fell.
„Total abgemagert. Hoffentlich kriegen
wir ihn durch.“
Flori und Thilo hielten sich zurück.
Sie glotzten nur. Thilo zog die Lippen breit, als wollte er „igitt, igitt“
sagen.
Flori machte Anstalten, sich eine
Zigarette anzuzünden.
„Im Wald wird nicht geraucht!“ fuhr
Tarzan ihn an.
„Das ist meine Sache. Ich...“
„Weg mit den Zündhölzern oder du fängst
eine!“
Flori gehorchte, knirschte aber mit den
Mäusezähnen und starrte finster zwischen die Bäume.
„Jetzt heißt es Beeilung“, sagte
Tarzan. „Er muß sofort zum Tierarzt. Ich fahre voraus. Zu Dr. Jakob, nicht zum
Wege-Eck. Der Kleine braucht Kräftigungsmittel und Medikamente, wahrscheinlich
Spritzen. Wie transportiere ich ihn denn? Ah, ich weiß.“
Vorsichtig legte er den Pudel zu Boden.
Während er seinen Pullover abstreifte, untersuchte Gaby die Ohren des
Hündchens.
„Sind voller Zecken. Zecken hat er auch
sonst überall. Wir... Heh! Seht mal! Innen im Ohr ist eine Zahl eintätowiert.
Das macht man neuerdings. Oskar hat sie auch.“ Oskar war ihr Cocker-Spaniel,
der Liebling der TKKG-Bande. „Die Nummer ist beim Tierschutzverein registriert.
Dadurch läßt sich feststellen, wem das Hündchen gehört. Und... Moment mal!“
Sie hatte etwas entdeckt: einen
Reißverschluß seitlich am Halsband. Das Halsband war dick, bestand aus doppelter
Lederschicht.
Als sie den Reißverschluß öffnete, sah
sie den Zettel.
„Ich heiße Puck“, las sie vor, „und
gehöre Frau Paula Matheil, Gartenstraße 16 in... Freunde, Puck ist nicht aus
Fleckenheim, sondern aus der Stadt. Hier steht auch die Telefonnummer.“
„Na, großartig!“
Tarzan hatte seinen Pullover zu einer
Art Tragetuch verknotet, das er sich jetzt um den Hals hängte. Vor der Brust
bildete es eine Hängematte, die Puck aufnahm. Er lag bequem und konnte nicht
rausfallen. Er hatte die Augen geöffnet und winselte leise.
Karl streifte Tautropfen von den
Blättern und hielt Puck die feuchte Hand an die Schnauze. Er leckte dankbar.
Klößchen wollte Schokolade zur
Kräftigung beisteuern. Aber das war nicht ratsam — und wurde deshalb von Gaby
verhindert.
„Du fährst also voraus“, sagte sie zu
Tarzan. „Wir sausen zum Wege-Eck, erklären dem Lefkaje, was anliegt, hängen uns
ans nächste Telefon und verständigen Frau Matheil. Den Zettel nehme ich mit.
Sie wird sich freuen. Hauptsache, Puck kommt wieder auf die Pfoten.“
„Sieh ihn dir an!“ lachte Karl. „Er
erholt sich bereits. Auf deinen Rippen, Tarzan, gefällt’s ihm.“
Tatsächlich hob Puck die Hundenase über
den Rand seiner Hängematte und sah Gaby an.
„Wenn du wieder gesund bist“, sagte
sie, „gibst du mir die Pfote. Versprochen? Uns allen, natürlich.“
Tarzan stieg aufs Rad.
„Ich mach mich auf die Schiene. Subito (ein
bißchen plötzlich), Leute!“
Er fuhr vorsichtig, solange das der
Boden verlangte. Er wollte Puck nicht durcheinander rütteln, zumal das Häufchen
Unglück nur noch aus Haut und Knochen bestand — und lockigem Fell.
Später, als er sich dem Waldrand
näherte, war der Weg eben. Tarzan drehte auf. Auf der Landstraße flitzte er mit
dem Wind um die Wette.
In der Ferne sah er das Wege-Eck.
Lefkajes Wagen stand dort. Die drei Goethe-Schüler waren angekommen und saßen
im Gras. Man sah ihn. Sie winkten und wunderten sich wohl, wo der
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