Hundediebe kennen keine Gnade
Spitzname des
Bürgermeisters lautet. Das tragen wir hier ein“, sie tippte auf eine gepunktete
Linie, „dann geht’s weiter nach... Aber wozu alles auf einmal? Besser eins nach
dem andern und immer dann, wenn wir da sind. Einverstanden?“
Die Jungs nickten.
„Alle mal herhören“, rief Lefkaje in
diesem Moment, „auch die sonst schwer hören. Gruppe eins startet in drei
Minuten. Die andern formieren sich. Viel Spaß und Hals- und Beinbruch für alle!“
Diese Ansprache, die im Geschichtsbuch
des Rad-Rallye-Sports keine Eintragung fand, wurde immerhin mit Beifall
aufgenommen.
Tarzan fragte sich, warum auch jene
Gruppen schon Aufstellung nehmen sollten, die erst in 30,40 oder 50 Minuten an
die Reihe kamen. Aber das war wohl nicht ernst gemeint.
„Schöne Sache, so eine Rallye“, sagte
Klößchen. „Ich möchte nur wissen: Wozu machen wir das eigentlich?“
„Veranstaltungen dieser Art“, wußte
Karl, „schließen die besagten höheren Lehranstalten enger zusammen. Ist
sozusagen ein Gemeinschaftserlebnis.“
„Was ist daran gemeinschaftlich?“
bohrte Klößchen. „Jede Gruppe radelt für sich. Ich weiß nicht mal, wie die
andern heißen. Und wenn wir uns unterwegs begegnen sollten - zufällig, erkenne
ich keinen wieder.“
„Aber nach Beendigung“, belehrte ihn
Tarzan, „macht Lefkaje von uns allen ein Foto. Ein Gemeinschaftsfoto. Kannst
dir wahrscheinlich einen Abzug bestellen. Zur Erinnerung. Außerdem kommt’s in
die Zeitung.“
Jetzt kam der erste Startschuß. Lefkaje
verballerte eine Platzpatrone. Die Dreiergruppe der Goethe-Schule jagte los,
als gelte es, die Tour de France zu gewinnen. Zwanzig Kehlen johlten und feuerten
an. Aber die erste Panne passierte, bevor die Pedaltreter im Wald verschwanden.
An Claus Wiedemeyers Rad sprang die Kette ab. Er wäre beinahe gestürzt. Bis er
den Fehler behoben hatte, verging kostbare Zeit. Wie irre hetzte er dann seinen
Team-Kameraden nach.
Tarzan machte sich keine Hoffnung auf
den Sieg. Allein und mit seinem Rennrad hätte er sicherlich eine Bestzeit
herausgeholt. Aber Klößchen im Team (Mannschaft) war wie ein Klotz am
Bein. Thilo war zwar nicht so verfressen. Aber ihm quoll die Trägheit aus allen
Knopflöchern. Flori hampelte umher. Insgeheim machte er sich wohl Sorgen, ob er
die zweistündige Strecke überhaupt durchstand.
Er war 14 Jahre alt, sah aber aus wie
elf, litt darunter und versuchte Ausgleich zu schaffen mit einer Schandschnauze,
die er aufriß bis zu den Segelohren. Niemand nahm ihn ernst, und das nicht nur,
weil er spillerig war wie ein halbverhungerter Windhund. Seine Angeberei ging
allen auf den Geist. Er trug die Lügen so dick auf, daß er sich lächerlich
machte. Er hieß mit vollem Namen Florian von Geckenheim und entstammte einer
reichen Familie. Wenn man Flori glauben wollte, gehörte seiner Sippe der halbe
Grundbesitz in Deutschland — und der brasilianische Urwald sowieso. Außerdem
jedes zweite — vierbeinige — Rindvieh in Texas.
Thilo Breitacker war ein fleischiger
Junge mit vielen Pickeln im Gesicht. Er galt als enorm musikalisch, konnte zum
Beispiel bedeutende Werke von Beethoven auf dem Kamm blasen. Wenn er seinen
Parade-Trick vorführte, stellte er sich mit dem Rücken zum Klavier, streckte
die Hände nach hinten und spielte Sonaten von Wolf gang Amadeus Mozart — fast
fehlerfrei. Daß Thilo hinterhältig war, merkte man erst bei näherem Hinsehen.
Er petzte, verbreitete üble Gerüchte über diesen und jenen — auch über Jungs,
die er angeblich mochte — und, was das Schlimmste war: Er stiftete gewisse
Dummköpfe zu Wagnissen an, die nicht gut enden konnten. Er selbst hielt sich
natürlich raus. Tarzan wußte, daß er auch Flori beeinflußte — und nicht zu
dessen Vorteil.
„Noch sechs Minuten, Tarzan!“ rief
Lefkaje. „Dann seid ihr dran.“
„Das reicht für eine Zigarettenlänge“,
grinste Flori und zog ein Päckchen aus der Tasche.
Immerhin trat er hinter die Ulme, als
er sich den Sargnagel ansteckte. Herausfordern wollte er den Studienrat nicht.
„Ein toller, würziger Tabak“, blökte er
genießerisch, „könnte aus der Tabakplantage meines Onkels sein. In Mexiko, ja.
Das ist ‘ne Plantage, sage ich euch. Wenn mein Onkel von einem Ende zum andern
reitet, braucht er drei Pferde. Zwei brechen unter ihm zusammen. Erst das
dritte schafft den Rest der Strecke.“
„Die Tabakpflanzer“, nickte Tarzan, „sind
ja dafür bekannt, daß sie sich auf ihrem eigenen Land nicht zurecht
Weitere Kostenlose Bücher