Hundekuchen zum Frühstück: Roman (German Edition)
das Meer gerochen. Damals fühlte ich mich furchtbar allein– wenn ich jetzt daran denke, werde ich ganz unsicher. Ich hatte Angst vor allem, ich war aufgeregt, und mein Herz tat weh. Als ich Jessica traf, wurde alles anders.
» Darüber möchte ich nicht reden, Dr. Max.« Obwohl er nickt und nicht weiterfragt, füllen sich meine Augen mit Tränen.
Jessica
Ich tapste ein Stück weit in die schmale Gasse hinein. Der Geruch nach Hot Dogs zog mich magisch an. Gleichzeitig wollte ich so weit wie möglich fort von meinen Freunden. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich Steine gefressen, so sehr schmerzte meine Brust. Was mich anging, war die Sache mit Max zu Ende. Ich war ein Hund, und er war ein Mensch. Und als ob das nicht schon genug wäre, erzählte ihm Kerrie gerade in allen Einzelheiten, wie ich von meiner Mutter verlassen wurde. Dass ich meinen Vater nie kennengelernt habe und dass ich statt Eltern nur sogenannte Pflegeeltern gehabt hatte, die für die Betreuung Geld bekamen. Das war nicht die Art von Familie, in die jemand gern einheiratete.
Je näher ich dem Hinterhof von Eggs About Madrona kam, desto stärker– fleischiger und würziger– roch es nach Hot Dogs. In meinem Geruchsdelirium konnte ich nur noch denken, dass die Dinger Hot Dogs hießen, weil Hunde sie jeden Tag essen sollten. Kurz darauf hörte ich Stimmen. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Vorsichtig spähte ich um die Ecke in den Hof hinein.
Es war ein kleiner Hinterhof direkt hinter Leisls Café. Gras wuchs hier nicht, aber dafür war der Hof mit Spielzeug übersät. Ich hatte vergessen, dass Leisl über ihrem Café wohnte. Ich hielt nach den Hunden Ausschau, die sie angeblich züchtete. Doch ich sah nur Foxy, der mit einem ungefähr zehnjährigen Mädchen mit Zöpfen im Matsch spielte. Richtig, Leisl hatte ja eine Tochter. Ihren Namen meinem Gedächtnis zu entreißen, war mindestens so schwer, wie einen Anker aus matschigem Untergrund zu bergen. Anya.
Offenbar stand der Zwinger woanders. Oder hatte Leisl die Hundezucht inzwischen aufgegeben?
Eine ältere Frau mit stahlgrauem Haar saß am Tisch und rauchte. Ein paar Sekunden lang schoss mir die Frage durch den Kopf, ob Leisl jemals darüber nachgedacht hatte, das alte Spielzeug wegzuräumen und Tische und Stühle im Hinterhof aufzustellen, wie wir das vor dem Glimmerglass gemacht hatten. Doch ebenso plötzlich, wie er gekommen war, wurde der Gedanke von einer unglaublichen Lust auf Hot Dogs ausgelöscht. Und dann sah ich den Grund. Leisl war mit einer Platte voller Würste und Rührei durch die Hintertür in den Hof gekommen.
Anya stöhnte. » Nicht schon wieder Eier, Mooom!«
Die andere Frau drückte ihre Zigarette in einem billigen Aschenbecher aus silbrigem Blech aus. » Du solltest dankbar sein, dass du überhaupt etwas bekommst, junge Lady.« Dann fuhr sie Leisl an: » Es wird aber langsam Zeit.«
» Die Küche hinkt mit den Bestellungen hinterher. Ich musste ein bisschen mithelfen.« Leisl stellte die Platte auf den Tisch. Dann wandte sie sich um und stemmte die Hände in die Hüften. Ihre Stimme klang verärgert, und ich zuckte an Anyas Stelle zusammen. Sei lieb, wollte ich ihr zuflüstern. Sei immer lieb und sauber, dann liebt sie dich auch.
» Deine Hose ist ja voller Dreck! Und sieh dir Foxy an! Dabei hatte ich ihn gerade sauber gemacht!« Leisl stampfte über den Hof und packte Foxys Leine, obwohl dieser brav gekommen wäre, wenn sie ihn nur gerufen hätte. Foxy ließ reuig die Ohren hängen und sich von Leisl zur Hintertür zerren. » Du bleibst brav hier sitzen!«, bellte sie ihn an. Foxy starrte zu Boden.
» Wenn du ihn mehr gepflegt hättest, hättest du sicher auch den Schönheitswettbewerb gewonnen«, bemerkte Leisls Mutter.
Leisl starrte sie nur vernichtend an. Dann wandte sie sich an ihre Tochter. » Und du, junge Lady, kommst jetzt her und isst. Ich will keinen Ton mehr hören, verstanden?«
Die Familie setzte sich und begann zu essen. Eine Wolke von Feindseligkeit schien über dem Tisch zu schweben. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag– und nicht nur, weil sie nicht daran dachten, mir einen Hot Dog zu schenken. Ich hätte diese Leute eigentlich beneiden müssen: Sie waren eine Familie, wie ich sie mir immer erträumt hatte. Doch ich empfand nur Mitleid. Sie saßen nahe zusammen um einen Tisch, und doch gaben sie sich nicht die geringste Mühe, nett und freundlich zueinander zu sein. Leisls Mutter verletzte ihre Tochter, und die machte dasselbe mit Anya.
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